Der Piratenlord
Konsul hatte Elias Horn wohl von Gideons heimlichem Besuch berichtet, weil er annahm, dass Elias ihn aus schändlichen Gründen dazu angestiftet hatte. Er hatte den Mann drohend aufgefordert, seinen missratenen Sohn vom Konsulat fern zu halten.
„Einige Monate später bekam das Konsulat einen Brief für meinen Vater“, fuhr Gideon eisig fort. „Ich vermute, dass der Konsul sich tatsächlich die Mühe gemacht hat, sie aufzuspüren. Er war von meiner Mutter. Sie schrieb, dass sie . . . nichts mit mir zu tun haben wolle.“ Gideon konnte die Worte kaum aussprechen. „Ein paar Jahre danach erfuhr mein Vater .. . dass sie tot sei und die Familie keine weiteren Kontakte mit uns beiden wünsche. Danach trank sich mein Vater zu Tode. “
Zu diesem Zeitpunkt hatte Gideon schon seine kindlichen Hoffnungen begraben, seine Mutter zu finden und sie dazu zu bringen, ihn wieder zu sich zu nehmen. Er hatte die Schläge seines betrunkenen Vaters schweigend erduldet, weil er wusste, dass Elias ihn nur so hart bestrafte, weil er ihr Sohn war, was er ihm oft genug vorgehalten hatte. Damals schwor Gideon, sich eines Tages an allen Engländern zu rächen für ihr dünkelhaftes Verhalten und ihre fehlende Moral und auch dafür, dass sie tun konnten, was sie wollten.
Und er hatte seinen Schwur gehalten. Bis Sara auftauchte. Sara hatte alles verändert.
„Aber hat sie dir denn nichts hinterlassen?“ beharrte Sara. „Ein Testament? Irgendein Zeichen, dass sie ihre Handlungen bedauerte?“
Es irritierte ihn, dass sie nicht glauben wollte, dass eine Engländerin zu einem so abscheulichen Verhalten fähig war. Wütend nahm er seinen Gürtel ab und warf ihn ihr vor die Füße. „Die Gürtelschnalle ist das Einzige, was sie mir hinterlassen hat, aber ich bin sicher, dass sie das nicht beabsichtigt hatte.
Ehe ich das Schmuckstück zu einer Schnalle umarbeiten ließ war es ihre Brosche.“
Sara hob den Gürtel auf. Langsam drehte sie die Schnalle hin und her. Er beobachtete, wie sie über den Ring aus Diamanten fuhr und über das massive Mittelteil aus Onyx, in das ein Pferdekopf eingraviert worden war.
„Du hast sicherlich schon viele teure Broschen gesehen“ sagte er noch immer voller Bitterkeit. „Bestimmt besitzt du selber einige.“
„Ja. Allerdings habe ich sie mir nicht gewünscht. Ich bekam sie einfach . . . weil ich die Stieftochter eines Earl war. Traurig sah sie ihn an. „Warum hast du sie behalten, wenn du deine Mutter so sehr gehasst hast?“
Er versuchte vergeblich, das mit einem Schulterzucken ab- | zutun, doch mit ihrer Frage riss sie eine alte Wunde auf, und da war es schwierig, unbekümmert zu bleiben. „Als ich fünf war, fragte ich ständig, warum ich keine Mutter hätte. Da zeigte mein Vater mir die Brosche und erzählte mir die ganze Geschichte. Einige Tage später habe ich sie gestohlen und behalten. Weißt du, ich wollte niemals glauben, dass . . .“
Gideon sprach den Satz nicht zu Ende. Er hatte nie glauben wollen, dass seine Mutter ihn absichtlich verlassen hatte. Das wäre für das fünfjährige Kind, das er damals war, viel zu schmerzlich gewesen. „Nachdem ich Jahre später die ganze Wahrheit erfahren habe, behielt ich die Brosche als Erinnerung an das, was sie getan hatte, und was für eine Frau sie gewesen war.“
„Ich verstehe nicht, wie eine Mutter es fertig bringt, ihren Sohn zu verlassen?“ Saras Stimme klang so traurig, dass er es kaum ertragen konnte.
Deshalb sprach er schroffer weiter, als er wollte. „Ich vermute, dass sie all die Dienstboten vermisst hat, die sie auf einen Wink hin versorgten. Sie vermisste die teuren Kleider und den Champagner und gut gefederte Kutschen. Sie vermisste die Juwelen, mit denen sie sich für die Abendgesellschaften behängte . . .“
Gideon drehte sich um und schaute über die Insel hinweg. Seine Insel. Er atmete mehrmals tief durch und ließ sich von der milden Luft von Atlantis beruhigen. Nur Atlantis konnte ihn von dem Schmerz über den Verrat seiner Mutter befreien,
Als Gideon weiterredete, war er froh, dass er ruhiger klang. „Mein Vater hatte ihr nicht viel zu bieten. Er konnte für ein anständiges Leben sorgen, doch das reichte nicht an das heran, was sie gewohnt war. Als sie ihn kennen lernte, trank er noch nicht. Das hat er mir jedenfalls gesagt. Er begann erst zur Flasche zu greifen, nachdem sie ihn verlassen hatte.“ Wütend fuhr Gideon fort: „Vermutlich verstand er nicht, warum ein Ehemann und ein Sohn nicht mit einem großen
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