Der Piratenlord
zu töten, und vielleicht hieß das ja, dass man vernünftig mit ihm reden konnte. „Ich bin Miss Sara Willis, Sir, Lehrerin und Beschützerin dieser Frauen.“
Der Wind blies ihm das pechschwarze Haar aus dem Gesicht und enthüllte den goldenen Ring, den er an einem Ohr trug. Gleichgültig lehnte er sich gegen den Bug. „Ich verstehe. Und Sie möchten sie also vor uns beschützen?“
Als die Piraten um sie herum in lautes Gelächter ausbrachen, wurde sie rot. „Sie wissen genau, dass ich dazu nicht in der Lage bin. Ich habe weder einen Degen noch die Fähigkeit, mit ihm umzugehen. “ Eine Spur ironisch fügte sie hinzu: „Vielleicht finde ich die Situation hier ja nicht so amüsant wie Sie und Ihre blutdürstigen Gefährten.“
Der belustigte Ausdruck verschwand blitzartig aus seinem Gesicht. „Dann werden Sie sicher gern hören, Miss Willis, dass meine Männer und ich aus anderen als den von Ihnen vermuteten Gründen hier sind. Diebstahl ist zwecklos, da ich vermute, dass es auf diesem Schiff weder Gold noch Juwelen gibt. Wäre Plündern dann nicht ein sinnloses Unterfangen?“ Als er innehielt, hielt sie vor Angst den Atem an. „Dann bleibt ja nur noch die Gewalt an den Frauen. Ein Schiff voller Frauen . . . eines voller Piraten . . .“
„Wir sind auch nicht hier, um irgendjemand unseren Willen aufzuzwingen“, sagte er grollend und stieß sich wütend vom Bug ab. „Wir haben Ihren . . . Schülerinnen etwas ganz anderes anzubieten.“
„Anzubieten?“
Die Hände in die Hüften gestützt, schlenderte er auf sie zu. „Ja, anzubieten. Wir sind hier, um die Frauen zu retten und zu befreien.“
Er war jetzt nahe genug, dass sie die Farbe seiner Augen erkennen konnte: ein lebhaftes Blaugrün, wie es das Meer hatte bei wolkenlosem Himmel. Das war eine viel zu schöne Farbe für einen Piraten.
„Und Sie bieten das an, ohne eine Gegenleistung zu erwarten?“ bemerkte sie kalt.
Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. „Das habe ich nicht gesagt.“
Ihr Mut sank. „Natürlich nicht. Piraten sind ja nicht gerade für ihre Nächstenliebe bekannt.“ Sie wusste nicht, was sie dazu brachte, derart dreist mit ihm zu sprechen. Doch wenn er sie ohnehin umbringen würde, konnte sie vor ihrem Tod vielleicht doch noch etwas Gutes bewirken.
„Was wollen Sie dann also von den Frauen?“ fuhr sie fort. „Ein paar vergnügliche Nächte, ehe Sie sie an der Küste von Afrika aussetzen, damit sie sich weiter allein durchschlagen können? Möchten Sie Liebesdienste von ihnen und ihnen dann eine zweifelhafte Freiheit schenken, statt sie mit Geld zu bezahlen?“
„Nein. “ Er sah sie zornig an. „Wir wollen keine Dirnen, Miss Willis. Wir wollen Ehefrauen für uns alle haben.“
Überrascht blickte Sara ihn an. Ein Raunen erhob sich unter den Frauen hinter ihr, doch sie wandte sich nicht um, sondern versuchte nur zu begreifen, was er gesagt hatte. Sie musterte prüfend die Gesichter der Piraten und stellte überrascht fest, dass ihre Mienen die Worte von Captain Horn zu bestätigen schienen.
„Aber Sie sind . . . Piraten! Warum sollten Sie Ehefrauen haben wollen?“
„Das geht Sie nichts mehr an, Miss Willis. Wir nehmen diese Frauen mit, ob Sie das nun gutheißen oder nicht.“ Der Blick, den er über sie gleiten ließ, war beleidigend. „Machen Sie sich keine Sorgen. Sie werden wir nicht mitnehmen. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine schmallippige alte Jungfer, die uns nur Probleme macht.“
Daraufhin befahl er einigen seiner Männer, die Frauen und Kinder an Bord der Satyr zu bringen. Und den Rest seiner Leute forderte er auf, die Vorräte der Chastity zu beschlagnahmen.
Ungläubig sah sie zu, wie die Männer sich beeilten, seine Wünsche zu erfüllen, und die Besatzung der Chastity verdrossen dabeistand. Wie konnte sie nur? Dieser ungehobelte Schurke entführte eine gesamte Schiffsladung von Frauen für seine eigenen schändlichen Zwecke, und die Besatzung schritt nicht ein!
„Das können Sie nicht tun! “ sagte sie zu Captain Horn. „Das ist gewissenlos! “
Er ignorierte sie und wandte sich an Captain Rogers. „Ich lasse ihnen kein Wasser und keine Nahrung zurück. Sie haben nur die Wahl, in den Hafen von Santiago zurückzukehren. Was Sie danach tun, ist es mir egal, vorausgesetzt, Sie folgen uns
nicht. Wenn Sie auch nur den Versuch unternehmen, werde ich meinen Leuten befehlen, mit den Kanonen auf Ihr Schiff zu feuern, das schwöre ich Ihnen.“
Als er sich umdrehte und an ihr vorbeistürmen
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