Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
Junge Tonho sprechen gehört. Der Ärmste, er lacht sich halb tot«, antwortete Forel. Er tätschelte Júlio den Kopf und riet ihm, bevor er wieder zurück ans Lagerfeuer ging:
»Lach jetzt, soviel es geht. Aber wenn du Tonho ins Gesicht lachst, bist du tot.«
Nicht einmal diese Warnung half Júlio, sich zusammenzureißen. Er lachte und lachte, bis er nicht mehr konnte. Aber von nun an bemühte er sich, Tonho nicht mehr anzusprechen oder auch nur anzusehen. Er drehte sich schon weg, wenn Tonho nur den Mund aufzumachen drohte.
Die folgenden fünf Tage marschierten sie bei unerträglicher Hitze und unter ständigen Moskitoattacken durch den Dschungel am Araguia. Sie sprachen mit den Einwohnern – meistens Landarbeiter – und bestachen sie mit Medikamenten und Kleidung. Einige versprachen, ihre Augen nach den Kommunisten offenzuhalten, aber im Augenblick, sagten sie, wüssten sie nichts.
Am 16. April waren die Essensvorräte aufgebraucht. Die Männer waren erschöpft und lustlos. All ihre Mühen waren vergeblich gewesen, sie hatten nicht einen Rebellen gesehen, und Júlio, der sie auf dem Weg durch die Wälder lotste, hielt die Geschichte von den Kommunisten schon für erfunden. Am frühen Abend führte er sie auf Befehl von Marra zu der Hütte von Pedro Mineiro, einem Bauern mit etwas eigenem Grund, bei dem sie vor zwei Tagen schon einmal gewesen waren. Mineiro hatte sich verpflichtet, die Soldaten zu unterstützen. Auf dem Weg zur Parzelle des Bauern stolperte Marra mit dem linken Fuß über eine Baumwurzel, woraufhin er kaum noch laufen konnte. Also würden sie Unterkunft und Essen von Mineiro bekommen müssen. Der im Bundesstaat Minas Gerais geborene Bauer lebte seit etwa zehn Jahren in der Gegend. Er war zweiundvierzig Jahre alt, einen Meter neunzig groß, trug sein blondes, dünnes Haar nach hinten gekämmt und war schlank. Das lange, spitze Kinn verlieh seinem Gesicht eine dreieckige Form. Auf seinem Land hielt er ein halbes Dutzend Kühe, ein paar Schweine und Hühner.
»Hallo Mineiro«, sagte Marra und näherte sich der Holzhütte, wo der Bauer mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern lebte.
»Guten Tag, Delegado. Brauchen Sie ein Dach über dem Kopf?«
»Ja. Bald wird es dunkel, wir sind hundemüde und unsere Vorräte sind aufgebraucht. Kannst du uns weiterhelfen?«
»Selbstverständlich. Wie Sie wissen, können Sie sich auf mich verlassen. Dafür organisieren Sie mir noch eine von den Armeeuniformen? Die macht ziemlich was her, hier im Urwald.«
»Na klar, mein Freund. Beim nächsten Mal bringe ich zwei Hemden und zwei Hosen mit.«
Beim Abendessen verschlang Júlio drei Portionen Schmorhuhn mit Kartoffeln und Reis. Marra erklärte unterdessen, dass sie am nächsten Morgen nach Xambioá zurückkehren wollten. Doch Mineiro sagte etwas, das Marra den Plan noch einmal überdenken ließ:
»Vielleicht sollten Sie noch ein paar Tage hier bleiben.«
»Wieso?«
»Ein Freund sagte, dass er in der Gegend von Caianos Rebellen gesehen habe«, antwortete der Bauer. Caianos war eine kleine Siedlung in der Umgebung.
»Wann war das?«
»Erst gestern, deshalb erzähle ich es ja. Wenn Sie nur richtig suchen, werden Sie und Ihre Männer diese Dreckskerle fassen.«
»Würdest du uns Unterkunft und Essen geben, wenn wir noch etwas länger blieben? Es wird alles bezahlt werden.«
»Selbstverständlich, Delegado. Und Sie müssen überhaupt nichts bezahlen. Ich bin immer für Sie da, wenn es darum geht, diese Kommunisten zu verjagen.«
Marra und die Männer spannten ihre Hängematten auf der Veranda auf. Kurz bevor sie einschliefen, erinnerte der Offizier noch einmal daran, dass sie, falls sie Rebellen aufspürten, diese auf keinen Fall töten durften. Ziel sei, sie lebendig zu fangen, um sie zu verhören und herauszufinden, wo sich ihre Stützpunkte befanden. Damit die Armee ein für alle Mal Schluss machen konnte mit der Guerilla. »Schießt also nur, wenn ihr absolut sicher seid, dass ihr niemanden tötet«, mahnte er.
Früh am nächsten Morgen wollte Marra testen, welcher der Männer am präzisesten schießen konnte. In einer Entfernung von etwa zwanzig Metern wurde eine Blechdose aufgestellt. Einer nach dem anderen sollte schießen, wer daneben schoss, war draußen. Beim ersten Mal trafen alle, deshalb erhöhten sie auf fünfundzwanzig Meter. Forel und Ricardo trafen nicht. Der Wettkampf ging zwischen Júlio, Emanuel und Tonho weiter. Bei dreißig Metern schied Emanuel aus. Júlio sollte als nächster
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