Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
eine Scheiße gebaut?«, zischte Índio zwischen seinen Zähnen hindurch.
»Ich weiß nicht. Das kann nicht sein«, antwortete Paraíba, ohne aufzuschauen.
»Was ist denn passiert?«, mischte sich Júlio ein.
»Du hast den Falschen getötet. Das ist passiert. Weiter nichts«, sagte Índio kopfschüttelnd.
»Das kann nicht sein.«
»Doch. So sehr, dass Baiano wie immer bei der Arbeit ist, quicklebendig.«
»Wer sagt das?«, fragte Júlio weiter.
»Niemand sagt das. Ich habe es selbst gesehen!«, brüllte Índio, ballte seine Fäuste und funkelte Júlio an.
»Ein beschissener Mörder bist du!«
Júlio war noch nie so gedemütigt worden. Seit acht Jahren arbeitete er nun als Pistoleiro, aber so etwas war ihm noch nie passiert. Dass ihn jemand einen »beschissenen Mörder« nannte, war die schlimmste Beleidigung, die er je gehört hatte. Nur, Índio würde niemals behaupten, dass João Baiano noch lebte, wenn er sich dessen nicht sicher wäre. Ratlos hob er seine rechte Hand, legte Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und strich sich dann über die Brauen. Dies wiederholte er unzählige Male, während er überlegte, was zu tun sei. Eins war sicher, er musste Baiano töten, den echten. Er versprach Índio, dass João Baiano den Tag nicht überleben würde.
»Du hast dafür bezahlt, dass ich Baiano töte. Also werde ich ihn töten«, sagte Júlio.
»Aber sieh zu, dass du nicht schon wieder aus Versehen einen anderen triffst«, antwortete Índio.
Júlio bat Paraíba, ihn zur Goldmine zu fahren, um ihm denjenigen zu zeigen, den er tatsächlich umbringen musste. Auf dem Weg dachte er darüber nach, was er getan hatte. Er hatte jemanden umgebracht, der nicht das geringste mit dem gestohlenen Gold zu tun hatte. Wer konnte der Bursche gewesen sein? Ob er verheiratet war, Kinder hatte? Wahrscheinlich nicht, dafür war er zu jung gewesen, gerade einmal neunzehn Jahre alt. So etwas war ihm noch nie passiert. Jemanden aus Versehen zu töten, war schrecklich. Seine Auftraggeber hatten stets einen Grund, ihren Opfern den Tod zu wünschen. Doch der Bursche, den er umgebracht hatte, hatte niemandem etwas getan. Er konnte sich nicht damit abfinden. Vor allem wusste er nicht, was er falsch gemacht hatte. Schließlich fiel ihm ein: João Baiano, den er hätte töten sollen, hatte einen Goldzahn links in der oberen Zahnreihe. Der Goldzahn des João Baiano, den er getötet hatte, war rechts. Ansonsten hatte die Beschreibung gestimmt: schwarz, muskulös, fast kahlköpfig und ungefähr eins siebzig groß. Aus Unachtsamkeit hatte er einen Menschen getötet. Trauer und Wut auf sich selbst wechselten sich ab. Wie konnte er nur solch einen Fehler begehen? Índio hatte vollkommen recht, ihn einen beschissenen Mörder zu nennen.
Paraiba deutete auf einen Mann, der gerade mit einem Jutesack auf dem Rücken eine hölzerne Leiter hinaufstieg und sagte: »Der dort.« Baianos Körper war von grauem Schlamm überzogen, auch sein Gesicht. Júlio wollte nicht noch einmal denselben Fehler begehen. Er wartete, bis Baiano aus dem Loch gestiegen kam und ging zu ihm. Unter dem Vorwand, auf Arbeitssuche zu sein, verwickelte er den Goldsucher in ein Gespräch. Ein kurzes Gespräch. Baiano sagte nur, dass er keine Ahnung habe, wen Júlio nach Arbeit fragen könne, und ging weiter. Zeit genug allerdings, damit Júlio sich das Gesicht seines Opfers einprägen konnte. Nun würde er es überall wiedererkennen. Er kaufte sich Käsebrötchen und zwei Flaschen Cola und verbrachte den Rest des Tages am Rande des Kraters. Dabei ließ er João Baiano nicht aus den Augen. Nach der Arbeit duschte sich der Goldschürfer unter einem Wasserrohr an der Straße und ging nach Hause. Júlio folgte ihm. Er prägte sich ein, wo Baiano wohnte, und ging zurück zur Behausung von Paraíba. Es war bereits Abend. Die Tür stand offen, aber kein Mensch war zu sehen. Er legte sich in die Hängematte. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er nicht gebetet hatte. Er betete seine zehn Ave-Marias und zwanzig Vaterunser. Nun, dachte er, würde er ruhig schlafen können. Zwei Stunden später wachte er auf, weil Paraíba an seiner Hängematte rüttelte.
»Der Chef will wissen, ob du den Kerl kaltgemacht hast.«
»Noch nicht«, sagte Júlio, ohne aus der Hängematte aufzustehen, und schloss wieder die Augen.
»Wie kannst du nur schlafen, ohne vorher die Arbeit erledigt zu haben?«
»Paraíba, es geht alles klar. Du kannst deinem Boss sagen, dass ich tun werde, was ich versprochen habe.
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