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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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gegenüberliegenden Straßenseite zielte Júlio mit seinem Revolver auf ihn. Er wollte gerade abdrücken, als ein fünf- oder sechsjähriges Mädchen die Tür aufriss und lachend auf Nativo zu rannte. Sofort ließ er die Waffe sinken. Er brachte es nicht fertig, einen Mann vor den Augen seiner eigenen Tochter zu erschießen. Der Gewerkschafter ging in die Hocke und nahm seine Tochter in den Arm. Júlio sah, wie die beiden sich einen Kuss gaben und dann im Haus verschwanden. Entschlossen, Nativo noch an diesem Abend zu töten, blieb er eine Stunde vor dem Haus des Gewerkschafters in der Hoffnung, er würde noch einmal herauskommen. Doch nichts geschah. Zu Fuß ging er zum Haus von Genésio zurück und erzählte, was vorgefallen war.
    »Aber morgen erwische ich den Kerl auf jeden Fall. Darauf können Sie sich verlassen«, sagte er.
    Den gesamten Mittwoch, den 23. Oktober 1985, verbrachte er in dem blauen VW von Pelé, Nativo da Natividade auf den Fersen. Um halb neun verließ der Mann seine Wohnung und fuhr direkt zur Zentrale der Gewerkschaft der Landarbeiter von Carmo do Rio Verde, die er nicht einmal zum Mittagessen verließ. Um zwanzig Minuten nach sechs fuhr er wieder nach Hause. Eine Gruppe Jugendlicher spielte auf der Straße vor dem Haus Fußball. Júlio konnte ihn nicht töten, er wollte keine Zeugen. Pelé stellte den Wagen an der Ecke ab. Júlios Plan war zu warten, bis die Jungs zu spielen aufgehört hatten, und dann an die Tür von Nativo zu klopfen. Sobald dieser sich zeigte, wollte er ihm eine Kugel in den Kopf schießen. Das Spiel endete bald, doch die Jungs blieben auf der Straße, genau vor dem Haus des Gewerkschafters, sitzen. Der Auftrag erwies sich als schwieriger als gedacht. Er fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augenbrauen und überlegte, wie lange er wohl noch warten müsste.
    Pelé öffnete eine Packung Kekse. Doch bevor Júlio auch nur einen Bissen tun konnte, kam der Gewerkschafter mit einer Tüte aus dem Haus und stieg in sein Auto. Sie folgten ihm in angemessener Entfernung mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Fünf Minuten später hielt der Wagen vor dem Gewerkschaftshaus. Die Straße war menschenleer. Nun war es soweit. Júlio setzte seinen Strohhut auf, nahm seinen Revolver aus dem Hosenbund und stürzte aus Pelés Auto. Dabei fiel ihm der Hut auf den Boden.
    »Egal! Dann eben ohne Hut«, dachte Júlio.
    Er erreichte die Autotür von Nativo, bevor dieser aussteigen konnte. Dann zielte er auf den Kopf des Gewerkschafters. Der Mann versuchte, Júlios Arm mit beiden Händen zurückzuhalten. Júlio drückte insgesamt viermal ab. Die Obduktion ergab drei Einschüsse in den Brustkorb und einen in den Hals. Er hörte erst auf zu schießen, als er sicher war, dass Nativo tot war. Júlio schaute sich um und sah niemanden auf der Straße. Pelé hielt bereits mit dem VW neben ihm. Bevor er einstieg, hob er noch schnell seinen Hut auf. Pelé wurde panisch.
    »Mein Gott, was war das denn?«
    »Was ist los, Junge? Wusstest du nicht, dass ich den Kerl umbringen würde?«, antwortete Júlio.
    »Doch, doch, das wusste ich. Aber ich habe so was noch nie aus der Nähe gesehen.«
    »Es gibt immer ein erstes Mal«, antwortete Júlio und ließ Pelé zum Haus von Genésio zurückfahren.
    Fünfzehn Minuten später kam der Krankenwagen der Stadtverwaltung, um Júlio nach Brasília zu bringen. Als sie sich verabschiedeten, sagte Genésio:
    »Geh mit Gott, Junge. Du hast gute Arbeit geleistet.«
    »Danke, Genésio.«
    »Ich glaube, ich kann jetzt den Bürgermeister verstehen. Du hast dir die sechs Millionen redlich verdient.«
    »Sechs Millionen?« Júlio dachte, Genésio würde scherzen.
    »Wirst du nicht sechs Millionen bekommen?«
    »Schön wär’s. Ich werde zwei Millionen bekommen.«
    »Das kannst du mir nicht erzählen. Ich selbst habe das alles eingefädelt. Er hat sechs Millionen für den Tod von Nativo bezahlt.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Natürlich, Mann! Ich glaube, da verdient einer auf deine Kosten.«
    »Gut möglich.«
    »Nun steig aber schon ein in den Krankenwagen, bevor sie die Leiche des armen Kerls finden und hier die Hölle losbricht.«
    Júlio war so durcheinander von dem Gedanken, dass sein Onkel ihn hinterging, dass ihm die ganze Fahrt von Carmo do Rio Verde bis Brasília schlecht war. Er konnte es nicht glauben. Wenn Cícero das dieses Mal getan hatte, war es bestimmt immer schon so. Er fand richtig, dass der Onkel auch etwas an seinen Morden verdiente, schließlich verhandelte

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