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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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alle Fälle gelangen wir so schneller zum Gipfel; es ist der kürzeste Weg.“ Wir brachen auf. Die Felsblöcke vor uns waren derartig zersplittert, zerrissen und steil, daß wir oft auf allen vieren darüber hinwegklettern mußten. Dahinter aber lagen lange, rauhe, holprige Platten, auf denen wir leidlich vorwärts kamen.
    „Eines verstehe ich nicht“, sagte ich zu Arsenjew, der neben mir ging. „Warum vergrößerte sich die Stromspannung im Rohr gerade von dem Augenblick unserer Landung an? War das wirklich nur Zufall?“ „Warum nicht? Das Rohr ist wahrscheinlich ein Teil eines großen energetischen Netzes, in dem in gewissen Zeitabständen ungeheure Ströme fließen, Dieser Vorgang beginnt mit einem langsamen Anwachsen der Spannung – denken Sie an den Ton des Echos, der uns an Röhren unter Strom erinnert hat. Dann folgen immer stärkere Wellen – Sie haben das Dröhnen unter der Kugel gehört –, bis schließlich die Kraftspitze erreicht ist. Die Erscheinung kann sich innerhalb einiger Stunden oder auch einmal am Tage wiederholen.“
    „Die Felstrümmer an der Stelle, wo wir landeten, sind also schon vorher durch Stromstöße auf die eine Seite geschleudert worden?“ „Natürlich.“
    Wir verstummten; denn der Hang wurde immer steiler. Unter unseren Schritten knirschte der nackte Fels. Wir näherten uns dem Kamm des Gebirgswalles, der den Talkessel umgab. Ich drehte mich um und schaute noch einmal in die Tiefe. Tot und öde lag der felsige Hintergrund da, zusammengeflossen mit dem dunklen Wasser des Sees. Träge zogen die Wolken darüber hin. Die weiße Kugel war zu einem kleinen Punkt geworden, den man zwischen dem grauen Gestein kaum noch erkennen konnte. Ich fuhr zusammen. Jemand hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt. Es war Arsenjew. So wie ich blickte auch er zu dem Ort unserer Niederlage hinüber. Wir schwiegen. Das Blut hämmerte in den Schläfen. Aus den Kanten und Schründen der Felsklüfte drang das gedämpfte Sausen des Windes.
    „Wir sind nicht das letzte Mal hiergewesen“, sagte Arsenjew. Er blieb noch einen Augenblick stehen, dann ging er weiter. Sein Skaphander verschmolz zuweilen mit dem Graubraun der Felsen. Nur der Metallhelm funkelte dann noch zwischen den großen Felstrümmern.
    Hoch über uns, von Wolken umhüllt, ragte der Gipfel empor, der unser nächstes Ziel war.
Der schwarze Fluß
    Meine Befürchtung war leider nur zu begründet gewesen. Als wir oben auf dem Kamm standen, sahen wir einen zweiten Talkessel vor uns – ein wogendes Nebelmeer inmitten schwarzer, zackiger Wände. Dieser Felsengrund lag höher als die Talsenke der weißen Kugel. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, ihn im Süden zu umgehen, und zwar auf einem allmählich abfallenden Grat, der im Nordosten zu einem Ausläufer des eigentlichen Gipfels wurde. Lose Nebelschleier ballten sich zu Wolken zusammen, flossen flach auseinander, wurden aber langsam und unaufhörlich dichter, stiegen höher und überfluteten die Hänge. Angeseilt, zu beiden Seiten den milchigen Abgrund, schritten wir den Grat entlang. Hier und da schob sich eine leichte, vom Wind erfaßte Wolke nach oben, stieß an den Felsen und schwamm zwischen uns hindurch. Dann sah ich nur noch den dunklen, vergrößerten Schatten Arsenjews vor mir. Die Anstrengung des Marsches trieb uns das Blut ins Gesicht. Auf dem Schirm tanzten verschwommene Lichtflecke, sternförmige Phantome. Aber man brauchte nur einige Male die Augen zu schließen, und alles verschwand wieder; der Nebel aber blieb.
    Ich blickte auf die Uhr. Wir gingen bereits neun Stunden. Der Mangel an Training machte sich bemerkbar. Aus allen Poren brach der Schweiß, rann über den Nacken, den Hals und von der Stirn ins Gesicht.
    Inmitten sich kreuzender Dunststreifen ragte unbeweglich der Gipfel. Seine riesigen, faltigen, von Rinnen durchschnittenen Hänge waren noch immer gleich weit entfernt. Nun fiel der schwarze Kamm des Grates steil ab und verschwand schließlich in der Wolkenflut. Er glich an dieser Stelle einer schmalen, langgestreckten Halbinsel, die von einem weißen Ozean umspült wird. Ich schlug eine Rast vor. Die Gefährten waren sehr erschöpft. Rainer hinkte sogar schon ein wenig. Wir lagerten uns unter einem Vorsprung des Grates. Zum Glück hatten wir hier nicht mit dem Hauptfeind der Bergsteiger auf Erden zu rechnen, mit dem Frost. Der Felsen war warm, wie von der Sonne beschienen. Ich hörte, wie der Chemiker sagte: „Ich wollte eine Tafel Schokolade mitnehmen, habe

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