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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Soltyk.
    „Nein. Es ist schwer, die Entfernung genau zu schätzen. Von diesem Felsmassiv trennen uns ungefähr fünf bis sechs Kilometer, nicht mehr. Rechnen wir noch acht, meinetwegen neun, ja sogar zehn Stunden für den Aufstieg hinzu, dann befinden wir uns aber auf einem Punkt, der die ganze Umgebung beherrscht.“
    „Der See, auf dem die Rakete liegt, ist von hohen Felsen eingeschlossen“, bemerkte ich. „Haben Sie das in Betracht gezogen?“
    „Ja. Der Engpaß zum See verläuft nordnordöstlich, das heißt in Richtung auf unsere Berggruppe.“
    „Ich bin einverstanden“, erklärte ich. „Wenn es uns gelingen sollte, die Verbindung herzustellen, holt uns die Rakete … und wir brauchen nicht im Freien zu übernachten.“
    „Die Idee ist gut“, sagte Arsenjew, „wenn sie auch nicht leicht auszuführen ist. Dann nehmen wir also den Vorschlag an?“
    Wir bestätigten es durch Kopfnicken.
    „Nun, da wir nicht mehr über die technischen Hilfsmittel verfügen, mit denen uns die Erde versehen hat, wird es sich erst zeigen, was wir wert sind.“ Arsenjew stand auf und wandte sich an mich. „Sie sind der erfahrenste Bergsteiger unter uns. Wir verlassen uns auf Sie.“
    „Brechen wir gleich auf?“ fragte ich.
    „Ich dachte daran, erst noch das Wasser im See zu untersuchen. Vielleicht ist es trinkbar.“
    „Gut, dann schaue ich mich inzwischen nach dem geeignetsten Weg um. Wollen Sie mir Ihren Feldstecher leihen?“ bat ich Arsenjew, denn sein Glas war stärker als meines.
    Die Gefährten stiegen zum See hinunter, und ich wandte mich einer Gruppe schlanker Felstürme zu, von denen ich mir bereits während der Beratung zwei ausgesucht hatte. Sie standen so dicht beieinander, daß sie wie ein längsgespaltener riesiger Obelisk aussahen. Ich zwängte mich in den Spalt und stemmte mich abwechselnd mit den Beinen und dem Rücken hoch, wobei ich mich mit den Händen abstieß. Eine Zeitlang vernahm ich noch Bruchstücke des Gespräches zwischen Arsenjew und Soltyk. Nachdem sie hinter der Biegung verschwunden waren, hörte ich auch ihre Stimmen nicht mehr, Die Felsnadel war nicht sehr spitz. Wenn man die Beine in den Abgrund hängen ließ, konnte man bequem dort sitzen. Ich blickte durch den Feldstecher. Über der Kluft, die sich deutlich im runden Gesichtsfeld abzeichnete, erhoben sich zwei Gipfel. Sie waren in dünnen, bleigrauen Nebel gehüllt, der die feinen Konturen, die Einzelheiten der Felsbildung verwischte. Ich entdeckte aber einen Felsgrat, der von den Geröllhalden aus anstieg und bis zum Hauptmassiv heranführte. Auf einmal schien es mir, als sei eine weiße Wolke, die eben über einen der beiden Gipfel hinwegzog, plötzlich verschwunden. Das konnte bedeuten, daß zwischen uns und diesem Gipfel noch ein Tal lag. Ich beobachtete die Gegend sehr aufmerksam und gründlich, vermochte aber nichts festzustellen, was meine Zweifel zerstreut hätte, Die anderen sollten jedoch nichts davon erfahren. Bald darauf kamen wieder ihre Stimmen aus dem Kopfhörer.
    „Na, wie ist das Wasser?” fragte ich und steckte den Feldstecher in das Futteral. Dann schlang ich das doppelt zusammengelegte Seil um einen Felsvorsprung.
    „Das ist eher eine Formalinlösung als Wasser“, antwortete Arsenjew. Es war ein sonderbarer Gegensatz: Die Gefährten, die sich dem Fuß der Felsnadel näherten, wirkten aus dieser Höhe wie großköpfige, graue Ameisen; und dennoch hörte ich sie laut und deutlich reden.
    Ich stieß mich kräftig mit den Füßen ab und glitt rasch an dem Seil nach unten. Einige Sekunden später befand ich mich wieder bei meinen Gefährten. Ich zog am Ende des Seiles, das in losen Windungen herabfiel.
    „Ich hoffe, daß Sie für uns einen nicht ganz so luftigen Weg ausgesucht haben“, meinte Rainer und sah etwas mißtrauisch zu, wie ich das Seil über die Schulter wickelte. Ich vermutete wohl nicht mit Unrecht, daß er sich vor solch einer Kletterei fürchtete; denn er war von uns allen am wenigsten mit den Bergen vertraut.
    „Der Weg ist ausgezeichnet“, beruhigte ich ihn und entwickelte meinen Plan. „Zuerst an der Grenze des Magnetitstreifens entlang über das Geröllfeld bis an die Wand, dann eine kleine Traversierung nach links, und von da an steigen wir weiter über den Kamm auf. Ich glaube, an der einen Stelle ist ein Spalt … entweder überqueren wir ihn, oder wir umgehen ihn.“
    „Wieso entweder – oder?“ wollte Rainer wissen. „Ist es vielleicht näher, wenn wir ihn überqueren?“
    „Auf

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