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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Zeitspanne hatten sich bereits die Formaldehydgase und das Kohlendioxyd mit der Atemluft vermengt. Im Motorboot verlor Lao Tsu das Bewußtsein. „Und wie steht es mit Oswatitsch, wo hat er ihn gefunden?“ fragte ich. Soltyk zögerte mit der Antwort. Er stand vor der Tafel mit den Zeigern der Bremsvorrichtung und betrachtete sie scheinbar mit größter Aufmerksamkeit, obwohl die Bremsvorrichtung gar nicht in Betrieb war. „Oswatitsch hat einen Hitzschlag erlitten“, sagte er schließlich. „Aber ich glaube nicht, daß es allzu schlimm um ihn steht. Als wir ihn getragen haben, hat er sich schon wieder gerührt.“
    „Na, Gott sei Dank! Wo war er denn?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Das weißt du nicht?“
    Auf den Schirmen zogen zwischen hellen, wallenden Nebelstreifen dunkle Wolken vorbei. Sie erweckten den Eindruck, als flögen wir über eine bergige Inselgruppe.
    „Der Professor gab mir das Seil … Wir knüpften es uns um den Leib, dann befahl er mir, so hinter ihm herzugehen, daß es immer gespannt bleibe … und ging voraus. Und dann fand er Oswatitsch.“
    „Wo?“
    „Ich weiß es nicht. Auf einmal war er verschwunden.“
    „Der Professor?“
    „Ja. Er war verschwunden, als hätte ihn die Erde verschluckt. Und dabei spürte ich seine Bewegungen; denn wir waren ja durch das Seil verbunden. Begreifst du das? Nein, das kannst du nicht begreifen. Ich sage dir, so wie du mich hier vor dir siehst, so sah ich das Seil vor mir. Es endete in der Luft – gespannt –, und dahinter war nichts …“ „Nichts?“
    „Das heißt – Steine waren da, Luft; aber weder der Professor noch Oswatitsch waren zu sehen … Nach vielleicht einer Minute ruckte das Seil an … Das war das verabredete Zeichen. Ich fing an zu ziehen und zog beide heraus. Der Professor hatte einen Riß im Skaphander.“
    „War er gestürzt?“
    „Ich weiß es nicht. Sicher.“
    „Wo war er denn gewesen?“
    „Ich sagte dir schon, ich weiß es nicht.“
    „Wieso … hast du ihn denn nicht gefragt?“
    „Nein … Du hättest es auch nicht getan, nach dem …“
    Er wandte mir plötzlich sein dunkelrotes, verzerrtes Gesicht zu.
    „Als du weg warst … habe ich mich wie ein junger Hund benommen! Ich winselte … dann schrie ich ihn an; denn er ging gemächlich wie in einem Laboratorium mit seinem Apparat umher … Ich wußte doch nicht, ich konnte es doch nicht wissen, warum!“
    Nach einer Weile fügte er ruhiger hinzu: „Noch auf der Erde hatte mir einer gesagt, daß Lao Tsu wie gehärtetes Glas sei, durchsichtig, glatt, unscheinbar. Wer es aber zu beißen versuche, der breche sich daran die Zähne aus. – Hör weiter: Ich wollte mich rechtfertigen. Er antwortete mir mit irgendeinem Sprichwort … Die Steine brannten unter unseren Füßen, ich glaubte, daß wir zerschmelzen müßten, und er … Weißt du, was seine ersten Worte waren, als er jetzt in der Kabine wieder zu sich kam? Er fragte Chandrasekar: ,Haben wir bereits die Ergebnisse der Berechnungen?‘“
    Der „Kosmokrator“ hatte seine Reisegeschwindigkeit erreicht. Ich trat von den Schirmen zurück, vermied es aber, Soltyk anzusehen. Es war wohl besser für ihn. Lao Tsu hatte ihm eine Lektion der Ruhe erteilt, und unter welchen Umständen! Ich dachte an mein Abenteuer im Toten Wald …
    „Wenn du willst, geh zu ihm“, sagte Soltyk. „Ich vertrete dich. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen.“
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Als ich in die Kabine trat, entfernte Tarland gerade das Zellophanzelt von Oswatitschs Bett, unter dem eine künstliche Sauerstoffatmosphäre geschaffen worden war. Der Kranke, der auf hochgetürmten Kissen lag, hatte bereits wieder rote Wangen bekommen; sein Atem ging regelmäßig. Die Wissenschaftler saßen um den Tisch und unter ihnen zu meiner größten Verwunderung auch der Chinese. Er trug nicht, wie gewöhnlich, einen dunklen Anzug. Zum erstenmal sah ich ihn in einem langen kirschroten, mit prächtigen Drachen bemalten seidenen Schlafrock. Er war bis an die Hüften in eine Decke gehüllt, unter der die verbundenen Füße hervorlugten. Lao Tsu war ruhig wie immer, nur ein wenig blasser als sonst. Arsenjew rückte zur Seite. Ich setzte mich. Oswatitsch hatte gerade angefangen, über sein Erlebnis zu berichten. Mit wenigen Worten schilderte er unsere Wanderung um die weiße Kugel und kam nun zu dem Augenblick, in dem ich mich, durch die Form jenes dunklen Steines getäuscht, von ihm entfernt hatte. Wie er erzählte, war er

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