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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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weitergegangen; denn er hatte meine Rufe nicht gehört. Plötzlich war alles um ihn herum verschwunden.
    „Hintereinander begannen sämtliche Farben des Regenbogens, vom hellsten Gelb bis zum tiefsten Violett, zu leuchten. Gleichzeitig zog mich etwas zu Boden. Ich verlor das Gleichgewicht, torkelte einige Schritte weiter – plötzlich flammte ein so greller Schein vor mir auf, daß ich einige Minuten wie geblendet war. Als ich die Augen öffnete, befand ich mich im Innern einer riesigen, von weißem Licht erfüllten Kugel. Vollkommen glatte, gewölbte Wände umgaben mich von allen Seiten. Ich dachte zuerst, daß sich eine Öffnung hinter mir befinden müsse, durch die ich ins Innere gelangt sei. Ich wandte mich um, aber ich sah nichts. Überall die gleiche glatte Wand. Der Boden, auf dem ich stand, war felsig, mit Steinen übersät. – Drücke ich mich auch klar genug aus? – Es war so, als hätte jemand einer Hohlkugel den unteren Teil abgeschnitten und mich wie eine Fliege darin gefangen, indem er sie über mich stülpte. Langsam, Schritt für Schritt näherte ich mich, jeden Stein untersuchend, der Mitte des Kreises.
    Nun geschah etwas ganz Sonderbares. Ich war vielleicht vier oder fünf Meter weitergegangen, als sich die gewölbte Wand vor mir zurückzog. Ich machte noch zwei Schritte vorwärts – und stand vor einer senkrechten, völlig flachen Wand. Ich drehte mich um. Hinter mir war undurchdringliches Dunkel. Ich trat auf die flache Wand zu, und je weiter ich herankam, um so stärker wölbte sie sich, als ob sie jemand von der Rückseite her aufbliese … Ich war ihr bereits so nahe, glaubte, sie mit der Hand berühren zu können. Auf einmal stand ich unter der Wandung einer riesigen Kugel. Diesmal war ich außerhalb der Kugel …
    Ich lief um sie herum. Sie war so groß wie die weiße Kugel, überall glatt, ohne eine Spur von Spalten und Löchern. Die Tatsache, daß ich den Hohlraum hinter mir hatte und ins Freie gelangt war, beruhigte mich. Ich nahm an, daß ich auch aus dem Dunkel, das mich umgab, hinausfinden würde. Kaum aber hatte ich mich einige Schritte entfernt, da begann die Kugel ihre Gestalt zu verändern. Sie zog sich in der Höhe und Breite auseinander, dehnte sich aus, und plötzlich bedeckte sie mich von neuem. Wieder befand ich mich in ihrem Innern. Nun lief ich bald nach rechts und bald nach links. Sooft ich zur Mitte kam, ebneten sich die Wände vor mir, rollten sich auf der entgegengesetzten Seite zusammen, und ich stand wieder in tiefster Dunkelheit vor der Kugel. Ging ich aber in dieses Dunkel hinein, dann dehnte sich die Kugel hinter mir aus, flachte sich ab, zog sich zusammen und umschloß mich wieder von allen Seiten. Ich dachte zuerst, daß es irgendein Mechanismus sei; aber ein solcher hätte doch nicht in dieser Weise wirken können. Dann versuchte ich, mit einigen raschen Sprüngen hinauszugelangen, stürzte wie irr nach dieser oder jener Richtung, immer aber traf ich auf eine glatte Wand. Es war zu furchtbar, als daß es sich beschreiben ließe. – Vollkommen schwarze, undurchdringliche Finsternis – in der Mitte die Kugel, die mich einmal in sich einschloß, dann wieder hinauswarf, und dabei keine Spur einer Öffnung! Wohin ich mich auch wandte, immer stieß ich auf die glatte Wand. Diese großen, weißen Flächen drehten sich vor meinen Augen, wendeten sich, verschlangen mich, spien mich wieder aus, immerzu … Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, vielleicht eine Stunde. Nach einiger Zeit wurde es unerträglich heiß. Der Boden glühte unter meinen Füßen. Mir war, als hätte sich mein Helm bereits bis zur Rotglut erhitzt. Das Atmen fiel mir immer schwerer, die Luft im Skaphander brannte wie Feuer. Der Kühlapparat half nicht mehr, ich war am Ersticken. Und dann stürzte ich und schlug mit dem Kopf gegen einen Stein. Wie es weiterging, weiß ich nicht …“
    Oswatitsch, der sich etwas aufgerichtet hatte, sank erschöpft in das Kissen zurück. Dann fuhr er leise fort: „Das ist alles. Verstehen tue ich davon gar nichts. Es ist auch nicht die Spur von Sinn darin zu finden.“ „Da bin ich anderer Meinung“, warf Arsenjew ein.
    „Glauben Sie vielleicht, daß ich Gespenster gesehen habe?“ „Keineswegs. Was aber die ,Sinnlosigkeit‘ einer Umgebung anbelangt, nun, so könnte eine Ameise, die in eine Schreibmaschine fiel, das gleiche behaupten. Die Welt dreht sich nicht um uns, und hier sind wir zufälligerweise in den Wirkungsbereich unbekannter Kräfte geraten.“

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