Der Planet des Todes
Linien, die sich über die seitlichen Schirme schlängelten, verblaßten allmählich und verschmolzen mit dem phosphoreszierenden Hintergrund. Dafür trat auf dem mittleren Schirm immer deutlicher ein Lichtstreifen hervor.
„Lao Tsu ist drüben?“ fragte Chandrasekar, als ich geendet hatte. Plötzlich verstummte das Sausen des Stromes. Die Kontrollampen erloschen, die seitlichen Schirme wurden heller, und auf dem mittleren erstarrte eine steile, doppeltgekrümmte Kurve. Chandrasekars Augen funkelten. „Also doch periodisch!“ rief er. Dann huschte ein blasses, um Verzeihung bittendes Lächeln über seine Lippen.
„Es muß Ihnen unmenschlich erscheinen, daß ich in dieser Situation …“
Er brach ab, schwankte, wich einen Schritt zurück und lehnte sich an die glänzende Seitenfläche des Pultes. Das Licht, das von oben herabfiel, beschien seine eingefallenen Schläfen und Wangen. Jetzt erst wurde mir bewußt, daß er in der letzten Zeit den Marax überhaupt nicht mehr verlassen hatte. Tag und Nacht leuchtete das rote Licht über der Kabinentür.
„Das macht nichts!“ sagte er. „Sie kehren zurück, wenn …“ Er vollendete den Satz nicht. „Wo ist Arsenjew?“
„Oben.“
„Möchten Sie ihn, bitte, hierherrufen? Sagen Sie, es sei sehr wichtig.“ Ich traf den Astronomen auf dem Oberdeck an. Über das Gravimeter gebeugt, verfolgte er gespannt die Ausschläge des Zeigers. Neben ihm zerfloß die säulenstarke weiße Lichtgarbe des Reflektors im dichten Dunst.
„Einstweilen wächst die Intensität nicht“, sagte Arsenjew leise, als hätte er mich nicht gehört. Ich wiederholte deshalb, daß ihn Chandrasekar bitte, hinunterzukommen. Plötzlich richtete er sich auf.
„So, ist es schon soweit? Nun, was ist es für eine?“
Ich verstand nicht, wonach er mich eigentlich fragte. Dann erinnerte ich mich an den Ausruf des Mathematikers und antwortet auf gut Glück: „Eine periodische.“
Ohne noch ein Wort zu verlieren, lief Arsenjew zur Schleuse.
„Soll ich zum Ufer fahren?“ fragte ich ihn. Er blieb stehen.
„Nein! Dort können Sie nichts helfen! Behalten Sie, bitte, das Radargerät und den Reflektor im Auge. Die Leuchtpistole liegt dort an der Seite.“ Er tauchte im Schleusenschacht unter.
Der Talkessel war von heißem Dunst eingehüllt. Der Rumpf der Rakete hob sich schwarz wie der Leib eines toten Wales davon ab.
Neben dem Scheinwerfer stand das tragbare Radargerät. Seine beiden elliptischen Antennen waren auf das Ufer gerichtet. Im umfaßte mit beiden Händen den Steuerkreis. Im Schirm wurde der steinige Zipfel oberhalb der Bucht sichtbar, über den die Gefährten zurückkehren mußten. Er war öde und leer. Einige Rauchwolken, dunkler als der Nebel, zogen darüber hin. Ich blickte auf das Fotoelement, das unter dem Schirm eingesetzt war. Es zeigte die Temperatur der Uferfelsen an: zweihundertsechzig Grad. Meine Finger krampften sich um den metallenen Handgriff des Gerätes. Zweihundertsechzig Grad! Auch die Lufttemperatur war stark an gestiegen. Sie erhitzte sich immer mehr: achtzig, fünfundachtzig, neunzig Grad … Wie lange konnte das ein Mensch, selbst in einem isolierenden Schutzanzug, aushalten?
Die Minuten vergingen, und jede währte eine Ewigkeit. Das Zischen des Wassers, das bei der Berührung mit den glühendheißen Uferfelsen zu kochen begann, klang deutlich herüber. Ich drehte die Antenne von einer Seite zur anderen, wollte sie schon umstellen, als etwas im Gesichtsfeld aufflimmerte. Dort drüben ging ein Mensch!
Ich schaltete die Alarmglocke ein und sprang wieder zum Radarschirm zurück. Der schwarze Fleck schob sich langsam durch die Felstrümmer, verschwand für eine Weile … erschien wieder und zerfiel in zwei kleinere, aber eigenartig verzerrte Gestalten. Bald konnte ich es deutlich erkennen: Zwei Menschen trugen einen dritten. Sie bemühten sich, über die Steine, die aus dem Wasser hervorragten, zum Motorboot zu gelangen. Zwischen dem letzten Stein und dem Boot aber lag ein dunkler Streifen Wasser. Sie blieben stehen. Allem Anschein nach berieten sie sich. Wie bedauerte ich jetzt, daß ich nicht doch, entgegen dem Befehl des Astronomen, hinübergefahren war. Ich hätte ihnen helfen können. Ich rief, gab ihnen Ratschläge und wurde mir gar nicht bewußt, daß sie mich nicht zu hören vermochten. Plötzlich war der eine von ihnen kleiner geworden. Ich begriff: Er bückte sich und versuchte das Motorboot an der Leine, mit der es am Ufer festgemacht war,
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