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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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geistige Unbeweglichkeit war es, die auch die Ausnutzung der Atomenergie behinderte. Allerdings ließen sich die technischen Schwierigkeiten in diesem Fall nicht so einfach überwinden wie bei den angeführten historischen Beispielen. Die Epoche des Dampfes zwang die Ingenieure zu rastlosen Forschungen auf dem Gebiet der Metallbearbeitung, besonders aber des Eisens, das der Grundbaustoff aller Maschinen war. In dem Maße, wie die „eisernen Engel“, die Dampfmaschinen, immer größer und stärker wurden und die Menschen vom Joch der Sklavenarbeit befreiten, wuchsen auch die Kenntnisse über den Wert der Brennstoffe wie Kohle und Erdöl. Gleichzeitig schuf die Metallurgie Hunderte, ja Tausende immer besserer Stahl- und Eisensorten für die verschiedenen Spezialzwecke. So entstanden besondere Legierungen für Kesselbleche, für Maschinenrahmen, für Lager, für Zylinder, Turbinenschaufeln und Wellen.
    Die Entdeckung der Atomenergie führte zu einer so grundsätzlich neuen Situation, daß kaum jemand sofort begriff, welch große Umwälzung im gesamten technischen Denken bevorstand. Anfangs hatte man nicht den Mut, auf das ererbte riesige Wissen der Ingenieurkunst zu verzichten, in dem die Arbeit, die Mühe vieler Generationen steckte. Deshalb wurden die Atomsäulen zunächst nur benutzt, um Dampf für die gebräuchlichen Turbinen zu erzeugen und zu überhitzen. Somit mußten sie unter verschwindend niedriger Wärmeentwicklung arbeiten, während sie Temperaturen hätten erzeugen können, wie sie im Innern der Sterne herrschen. Einige Jahre später kam man von dieser Verwendungsweise ab. Die Menschen hatten begriffen, wie außerordentlich kompliziert und umständlich die bisher angewandten Methoden der Energieerzeugung waren. Die chemische Energie des Brennstoffes wurde in Wärmeenergie umgewandelt, diese in die Bewegungsenergie des Dampfes und erst diese in Elektrizität. Die Atomsäule stieß ganze Wolken elektrisch geladener Atomteilchen aus. Wenn es gelang, diese Teilchen zu sammeln und entsprechend zu lenken, so konnte man eine unerschöpfliche Elektrizitätsquelle gewinnen. Die Aufgabe war gestellt Doch auf dem Wege zum Ziel häuften sich die Schwierigkeiten.
    Alles frühere Wissen war wertlos geworden. Genauestens bekannte Körper änderten, wenn man sie der Einwirkung zerfallender Atome aussetzte, vor den Augen des Beschauers ihre spezifischen Eigenschaften. Die härtesten und widerstandsfähigsten Stahlsorten ließen die Atomstrahlung durch wie ein löchriges Sieb. Bis zu dieser Zeit hatte der Energetiker, der Fertigungsingenieur Maschinenelemente konstruiert, die sich vorwärts oder rückwärts bewegten oder im Kreise drehten, und deshalb hatte er die Theorie der Reibung und Schmierung, der Festigkeit der Materialien studiert. Nun mußte er die noch wenig oder gar nicht bekannten Gebiete ungeheurer Temperaturen und Strahlungsenergien betreten, die bisher nur die Domäne der Astronomen gewesen waren. Er mußte sich ein völlig neues Wissen erwerben und neue, in der Natur noch nicht bestehende Mittel schaffen, um diese gewaltigste und elementarste aller Energien, die seit Jahrmilliarden das Weltall und das Licht der Sterne erhält, zu zähmen.
    Die alten Fabriken und Industrieanlagen stellten ihre Arbeit ein, die schmutzigen Kesselhäuser mit ihren Netzen zischender und blubbernder Rohrleitungen, die Maschinenhallen voll pfeifender Turboaggregate, fauchender Luftpumpen, die großen Kohlenhalden und Kühltürme verschwanden. Wieder wurde ein gewaltiges Buch technischer Zivilisation zugeschlagen und ruhte nun mit den Büchern, die die Geschichte des Segelschiffes, der Dampfeisenbahn, des lenkbaren Luftschiffes – des Zeppelins – enthielten, neben all den vielen anderen Büchern, in denen die furchtbaren Mittel beschrieben sind, deren sich die Völker einst bedienten, um sich in Aggressionskriegen gegenseitig zu vernichten.
    Die neuen Kraftwerke unterschieden sich schon äußerlich von den früheren. Zwischen durchsichtigen Wänden gingen Menschen in weißen Mänteln umher und wachten über die Elemente, die in unterirdischen Räumen, hinter dicke Schutzschilde gebannt, durch unaufhörliche Umwandlungen Energie erzeugten. In den lichten Hallen herrschte vollkommene Stille, und nur dort, wo der Strom aus den Hauptsammelschienen in die Hochspannungsleitungen übertrat, war das tiefe, gleichmäßige Brummen der Transformatoren zu hören.
    Die Elektrizität jedoch, selbst wenn sie aus Atomen gewonnen wurde, eignete

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