Der Planet des Todes
sich nicht unmittelbar zum Antrieb von Raketen. Die Astronautik mußte noch immer auf die entscheidende Entdeckung warten. Der Atombrennstoff versprach unendlich mehr als jeder andere. Die beim Atomzerfall frei werdenden Gase entwickelten Geschwindigkeiten von einigen Dutzend bis zu einigen Tausend Sekundenkilometern. Die Energieentfaltung weniger Kilogramm Uran hätte genügt, um Tausende Tonnen Masse auf den Mond zu befördern. Aber diese auf dem Papier so einfache Lösung war am schwersten ins Werk zu setzen. Die Ursache lag darin, daß sich die Strahlung beim Atomzerfall nach allen Seiten ausbreitet. Zum Antrieb einer Rakete mußte sie jedoch nach einer bestimmten Richtung gelenkt werden. Die damalige Technik hielt dies für unmöglich – bis ihr neue Entdeckungen zu Hilfe kamen und eine der jüngsten Wissenschaften, die synthetische Chemie des Atomkernes, der Raumschiffahrt endgültig zum Durchbruch verhalf. Die Chemiker, die früher nur die Natur beobachtet und sich bemüht hatten, in ihren Laboratorien die auf der Erde und den Sternen vorkommenden Substanzen nachzuschaffen, lernten allmählich Stoffe aufzubauen, die nirgends bestanden, und sie taten es so beliebig wie ein Architekt, der die Form und Konstruktion eines Gebäudes seinen schöpferischen Plänen unterordnet. Sie waren in der Lage, plastische Stoffe zu erzeugen, die hart und widerstandsfähig wie Stahl, dabei aber leicht und durchsichtig wie Glas waren und sich schmieden und bearbeiten ließen. Sie konnten Klebemittel herstellen, die Metalle mit der Festigkeit einer Nietung verbanden, Isoliermassen, die erhitzbar waren und Schall, Strahlen, ja selbst Atomteilchen verschluckten. Auf diese Weise entstand das Luzit, ein synthetisches Baumaterial, das tagsüber die Sonnenstrahlen aufspeicherte und sie im Dunkeln als gleichmäßig weißes Licht ausstrahlte. Die Wissenschaftler, die gelernt hatten, sämtliche Atomgitter zu formen und zu verbinden, wandten ihr besonderes Augenmerk dem bisher noch widerspenstigen Atomkern zu. Es ging darum, daß die Atome beim Abgeben ihrer Energie nicht mehr irgendwie zerfielen, sondern auf eine genau vorgezeichnete Art und Weise, und daß sich die Strahlung nach allen Richtungen steuern ließ.
Das war leicht gesagt, aber schwer getan. Der Atomkern ist von dem Potential der Atomhülle umgeben. Um diese zu durchschlagen, ist eine Energie erforderlich, die die Energie der furchtbarsten Sprengstoffe um das Millionenfache übertrifft. Das Aussehen der physikalischen und chemischen Laboratorien hatte sich völlig verändert. Wenn früher in verhältnismäßig kleinen Sälen auf Tischen und in Regalen Apparate mit Glashälsen und hochempfindliche Meßgeräte gestanden hatten, so erhoben sich nun in massiv gewölbten Hallen Maschinenanlagen, die in Größe und Gestalt an mittelalterliche Bastionen und Wehrtürme erinnerten. Diese mächtige Atomartillerie der Wissenschaftler bombardierte die hartnäckig Widerstand leistende Festung des Atomkerns. Sie verfügte über die verschiedensten Kaliber; von den alten, noch in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erbauten Zyklotronen angefangen, über die Synchrotrone, Algotrone, Kavitrone, Mikrotrone, Rhumbatrone und Ralitrone bis zu den ungeheuren Bewatronen, in denen Milliarden und aber Milliarden Volt die Atomteilchen zur Geschwindigkeit des Lichtes beschleunigten. Nur in schweren Schutzanzügen, die Gesichter mit Masken aus Bleiglas verhüllt, näherten sich die Forscher den Schleusen in den Betonmauern, um kleine Mengen neuer Grundstoffe der Einwirkung der sausenden weißen Nukleonenflamme zu unterziehen. Auf diese Weise wurde im Jahre 1997 das Kommunium dargestellt, ein mattsilbernes, sehr schweres Metall aus der Gruppe der Aktiniden, das bisher im ganzen Weltall nicht vorkam, ein Element, das im Periodensystem die Ordnungszahl 103 trug. Es war bei normaler Temperatur beständig und verhielt sich chemisch neutral. Bei der Erhitzung auf 150 000 Grad zerfiel es und schleuderte Deuteronen – Atomkerne des schweren Wasserstoffes – aus. Um die erforderliche Zerfallstemperatur zu erreichen und den Reaktionsablauf zu regulieren, wandte man eine Erfindung des großen russischen Physikers Kapiza an, dank welcher die Sowjetunion bereits im Jahre 1947 die leichte Atomenergie hatte gewinnen können.
Diese Erfindung beruhte auf der plötzlichen Schaffung und Aufhebung eines außerordentlich starken elektromagnetischen Feldes. Zwischen den Polen des Elektromagneten ergab sich
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