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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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waren durch den nahen Starttermin der Expedition dermaßen mit Arbeit überlastet, daß sie einfach keine Zeit dazu hatten. – Soltyk ging in dem leeren Saal auf und ab und berührte mechanisch die Pläne, die auf den Tischen herumlagen. Er trat zum Fenster und blickte durch den grauen Schleier des Sprühregens eine Weile zu den nahen Bergen hinüber. Dann stieg er in den Fahrstuhl, der ihn drei Stockwerke hinabtrug. Zwischen der Innen- und Außenmauer der Werft lagen auf üppiggrünen Rasenflächen die ungewöhnlich großen Blüten roter Pfingstrosen. Die Exkursion sei bereits im Wartesaal am Tunnel, erfuhr der Ingenieur von einem Techniker. Er stieg also noch ein Stockwerk tiefer. In dem großen Raum standen einige Dutzend Jungen. Soltyk hatte kaum bekanntgegeben, daß er sie führen werde, als sie ihn auch schon umringten und mit Fragen bestürmten.
    „Ist es wahr, daß die Rakete diese Nacht einen Probeflug gemacht hat?“ – „Schade, daß wir nicht schon gestern gekommen sind!“ – „Können wir das Raumschiff gleich besichtigen?“–„Entschuldigen Sie, sind schon alle Expeditionsteilnehmer hier?“ – „Dürfen wir auch mal hinein in die Rakete?“
    Die Fragen hagelten nur so auf Soltyk nieder. Er versuchte gar nicht erst zu antworten; er schüttelte die Jungen von sich ab und zog sich wie vor einer Sturzflut kalten Wassers zur Tür zurück.
    „Ihr werdet schon noch alles sehen“, sagte er. „Kommt, wir gehen!“ Sie traten in einen langen Korridor, den eine große schwere Tür mit linsenförmigen kleinen Fenstern abschloß. Als sie bis auf wenige Schritte herangekommen waren, schoben sich die beiden Türflügel, wie bei einer Unterwasserschleuse, langsam zur Seite. Dahinter führte eine schrägabfallende Rampe noch tiefer in die Erde hinab. Die grünen Lichter in den Nischen ließen die Gesichter sonderbar fahl erscheinen. Schließlich nahm auch dieser schräge Gang ein Ende. Sie traten in eine niedrige Kammer mit rauhen Wänden und einer Betondecke. Als sich die letzte Tür öffnete, standen sie vor einem großen, blauerleuchteten Waggon.
    „Ist das ein Aufzug?“ fragte einer.
    „Nein, das ist der Waggon, der uns zur Werft bringt“, erwiderte der Ingenieur. Er wartete, bis alle in den Ledersesseln Platz genommen hatten, dann drückte er auf einen Knopf. Der Boden zitterte leicht, und das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Soltyk lehnte sich an die Wand. Er trug noch immer die Arbeitskombination, die vorn mit feinem Metallstaub wie mit Asche bestäubt war. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, sagte er mit einer etwas müden, tiefen Stimme: „Wir befinden uns jetzt zwei Stockwerke tief in der Erde und fahren durch diesen Tunnel unter den Schutzmauern hindurch. Vor acht Jahren gab es hier noch keine Werft. An ihrer Stelle stand eine der großen Atomsäulen, wie man sie damals verwendete. Das Kommunium war ja noch nicht bekannt. Deshalb mußte die Atomsäule mit einer sieben Meter dicken Mauer umgeben werden, um die Strahlung abzuschirmen. Jetzt, nach der neuen Methode, ist das alles bereits Geschichte. Geblieben sind nur die Mauern und der Tunnel.“
    Unsichtbare Puffer klirrten. Der Waggon hielt. Wieder öffnete sich eine Tür. Dahinter führte eine Rolltreppe in die Höhe. Von oben fiel goldgelbes Licht herab, das den Strahlen der Wintersonne glich. Als die Jungen hinaufsahen, erblickten sie durch einen viereckigen Ausschnitt in der Ummauerung ein leuchtendes Glasdach. Die Rolltreppe brachte sie zu einer breiten Plattform. Die Jungen erstarrten vor Staunen: Vor ihnen lag eine riesengroße Halle, die mit poliertem Granit ausgelegt war. In den weitentfernten Lichtern schienen Dach und Fußboden ineinander überzugehen. Wenn die Jungen jedoch die Köpfe hoben, konnten sie sich leicht überzeugen, daß die milchweißen Platten des Daches auf einer Stahlkonstruktion einige Dutzend Stockwerke hoch hingen. Die Halle besaß keine Wände. Das Dachgerüst stützte sich zu beiden Seiten auf lange Säulenreihen, zwischen denen man das Innere einer zweiten Halle sehen konnte. Obwohl es heller Tag war, durchflutete ein Strom künstlichen Lichtes den gewaltigen Raum. Inmitten der Halle ruhte auf zwei Reihen Plattformen das lange, silberglänzende Geschoß. Auf seinen Planken krochen die Menschen wie Ameisen herum und zogen die feinen schwarzen Fäden elektrischer Leitungen hinter sich her. Hunderte greller Funken blendeten das Auge: Dort arbeiteten die Elektroschweißer. Wie Spielzeuge aus

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