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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wir eine der Kabinen besichtigen“, sagte der Ingenieur. Er öffnete gleich die erste Tür, die sich in der Wand des dreieckigen Korridors befand und in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zum Fußboden geneigt war. Wie wunderten sich die Jungen, als sie in das Innere der geräumigen Kabine blickten! Der Fußboden stieg von der Tür aus mit einer Neigung von etwa fünfundvierzig Grad an. Der Ingenieur, als bemerkte er das Staunen der jugendlichen Gäste gar nicht, ging einige Schritte weiter und öffnete eine Kabinentür an der gegenüberliegenden Seite des Korridors. Dort zeigte der Fußboden die gleiche steile Neigung nach oben. In den Kabinen war niemand. Die Rohre der Deckenbeleuchtung erhellten nur schwach die Möbel, die wie auf einem Schiff am Fußboden festgeschraubt waren.
    Schweigend schauten die Jungen auf den Ingenieur. Endlich fragte wieder der jüngste unter ihnen ungeduldig: „Was bedeutet denn das eigentlich? Warum ist der Gang dreieckig, und warum haben die Kabinen ein schiefen Fußboden?“
    „Keinen schiefen, sondern einen geneigten“, verbesserte ihn Soltyk.
    Er nahm Notizbuch und Bleistift aus der Tasche und fuhr fort: „Ganz richtig, daß du fragst. Ihr braucht euch gar nicht zu schämen, wenn ihr etwas nicht wißt.“
    Er machte rasch eine kleine Skizze und zeigte sie den Jungen. „Versteht ihr es nun?“
    Nein, sie verstanden es noch immer nicht.
    „Ihr wißt, daß das Raumschiff für interplanetare Flüge bestimmt ist, nicht? Dort im leeren Raum gibt es keine Schwerkraft mehr, und alle Körper werden dort gewichtlos. Früher wurde in utopischen Romanen von allerlei sonderbaren und komischen Abenteuern der Weltraumreisenden erzählt. Sie konnten zum Beispiel aus einer Flasche mit Wasser keinen Tropfen herausbekommen, sie flogen, durch nichts festgehalten, unter der Decke herum und so weiter. Nun, das sind sehr zweifelhafte Vergnügen. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß der Mensch ohne die Schwerkraft auf die Dauer nicht leben könnte. Nach einer gewissen Zeit würde infolge des Arbeitsmangels ein allmählicher Muskelschwund eintreten. Deshalb schafft sich der ,Kosmokrator‘ sein eigenes, künstliches Schwerefeld: Er wirbelt während des ganzen Fluges um seine Längsachse, die ich auf dieser Skizze mit den Buchstaben A bezeichnet habe … seht ihr? Dadurch entsteht, wie bei einem Karussell, die Zentrifugalkraft, die alle Gegenstände und die Menschen in den Kabinen in strahlenförmiger Richtung, so wie ich es mit den beiden Pfeilen angedeutet habe, auf dem Boden festhält. Die Fußböden der Kabinen und des Korridors liegen so, daß man während des Fluges unter den Füßen immer ,unten‘ und über dem Kopf immer ,oben‘ empfindet, genau wie auf der Erde. Das erreicht man natürlich nur bei einer strahlenförmigen Anordnung der Räume.“ „Und was ist über uns?“
    „Oben sind die Laderäume.“
    „Warum ist denn aber der Korridor dreieckig?“
    „Ganz einfach deshalb, weil es an Raum gefehlt hat.“ „Das hätte man doch anders machen können“, rief der kleinste der Jungen angriffslustig. Es kam ihm vor, als triebe der Ingenieur seinen Spaß mit ihnen.
    „Freilich“, gab Soltyk zu, „aber dann hätte man schräge Kabinenwände gehabt, und das wäre nicht sehr schön gewesen. Man hält sich ja schließlich im Korridor weniger auf als in den Kabinen. Übrigens können auch so vier Personen bequem nebeneinander gehen … na … wir haben uns ein bißchen verplaudert. Nun wollen wir mal in die Zentrale.“
    Die Jungen folgten ihm. Der Kleinste zählte die Schritte. Es waren achtundsechzig. Dann führten mehrere Stufen zu einer breiten, gewölbten Tür.
    In dem Raum, der einen Durchmesser von ungefähr sechs Metern hatte, fielen den Eintretenden die zahllosen Meßinstrumente und Signallampen sofort ins Auge. Überall zuckten Lichter auf, blinkten und blitzten in allen Farben des Regenbogens. Die Wände, zum Fußboden in einem Winkel von einhundertfünfunddreißig Grad geneigt, waren in Felder geteilt. Unter den einzelnen Feldern standen kleine Pultschränke mit den Bezeichnungen „Düsen“, „Hauptfeld“, „Steuerfeld“, „Generator Horizont A“, „Prädiktor“, „Marax“ … es waren einige Dutzend Tafeln. In der Mitte der Kabine wuchs ein großer Apparat aus dem Fußboden, der dem Helm eines Riesen ähnelte. Daraus ragten drei mit weißen Deckeln verschlossene Rohre hervor. Das Ganze erinnerte an einen gewaltig vergrößerten Insektenkopf mit drei

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