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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wenn auch nur einer von ihnen fehlte. Denke stets daran, daß das Leben einen Sinn haben muß. Da gibt es die großen Pläne und Taten – sie dienen allen Menschen, den fremden und den unsern, den nächsten und den fernsten: so wie die Brücke, die der Ingenieur erbaute, und das Lied, das der Dichter schrieb –, und es gibt die kleinen, die persönlichen Erlebnisse, etwa einen Weg durch den Frühling, und diese Erlebnisse und unsere Gedanken und selbst unsere Träume, die teilen wir nur mit unseren vertrautesten Gefährten. Aber das eine und das andere zusammen – das erst macht den ganzen Menschen und den vollen Dienst am Leben aus. Die Welt ist so weit dein, wie du selbst der Welt gehörst, und alles, was du auch nur beginnst und vollendest – hörst du: alles! –, muß seinen Sinn und seine Erfüllung nicht in dir, sondern außerhalb deines Ichs, in der Gemeinschaft finden. Es fällt nicht jedem leicht, so zu handeln. Und auch du wirst schwer zu kämpfen haben, bis du dieses Ziel erreichst; aber daß du es erreichst, davor ist mir nicht bange. Du willst doch gutes Metall sein, das reinen Klang unter dem Schmiedehammer gibt, nicht wahr, Robert?“
    Ich nickte nur, sprechen konnte ich nicht.
    „Ein Konstrukteur wird nie aus dir werden“, sagte Gorelow, „aber du solltest trotzdem das Studium beenden; denn Wissen ist niemals nutzlos.
    Später, wenn du dein Diplom hast, müßtest du in die Berge gehen und dort dich selbst suchen.“
    Als ich dann nach einer langen, sehr langen Bergwanderung nach Hause zurückkehrte, wie betäubt von der Sonne, dem Sommer und noch immer unter dem Eindruck jener Unterredung mit Gorelow, da erkannte ich, daß mich der Professor an meinen Großvater erinnerte. So, wie der Großvater bestimmend für meine Kindheit gewesen war, so war es Professor Gorelow für meine Jugend. Ich habe es nie bedauert, daß ich seinem Rat gefolgt bin.
    Nach Abschluß meines Studiums ging ich allerdings nicht gleich in die Berge, sondern besuchte einen einjährigen Kursus im Zentralen Luftfahrtdienst und wurde Einflieger für neue Flugzeugtypen. Jeden Urlaub aber verbrachte ich in den Bergen. Ich nahm an vielen Expeditionen teil, und mein Name wurde bald, auch außerhalb des Hochtouristenklubs, bekannt. Als ich einmal an irgendeinem Schalter nach meinem Beruf gefragt wurde, sagte ich in meiner Zerstreutheit „Alpinist“ anstatt „Pilot“. Obwohl ich mich sofort berichtigte, entsprach eigentlich beides der Wahrheit; denn jetzt kenne ich mich bereits ein wenig und weiß, daß mich unbezwungene Gipfel ebenso reizen wie Flugzeuge, in denen noch niemand aufgestiegen ist.
    Mit fünfundzwanzig Jahren zog ich mit einer Expedition nach dem „Dach der Welt“, dem nördlichen Teil des Pamir. Ein Jahr später befand ich mich unter denen, die den dritthöchsten Berg der Erde, den Kantschindschinga bezwangen. Diese Expedition hatte den tragischen Tod eines meiner Gefährten zur Folge; ich selbst trug einen Herzschaden davon, so daß ich ein halbes Jahr in den Sanatorien des Südens zubringen mußte. Ich war kaum zum Flugdienst zurückgekehrt, als ich erfuhr, daß eine Expedition nach der Venus geplant sei und daß man einen Piloten für das Aufklärungsflugzeug brauche. Ich meldete mich und wurde aus einigen tausend Freiwilligen ausgewählt.
    Dies alles schreibe ich in der achtundzwanzigsten Stunde unseres Fluges. Wenn ich den Kopf hebe, sehe ich auf dem Schirm des Fernsehgerätes, wie die weiße Scheibe der Erde immer kleiner wird. Mir ist, als hätte ich mein bisheriges Leben abgeschlossen und begänne ein völlig neues. In einem solchen Augenblick ist es wohl erlaubt, einen dicken Strich unter all das zu ziehen, was gewesen ist. Ich weiß, daß ich viele Dinge nie zustande bringen werde, weil mir die Fähigkeiten dazu fehlen. Deshalb habe ich auch nicht versucht, den Weg der Wissenschaft zu beschreiten. Ich weiß, daß ich solche Menschen wie Chandrasekar, Arsenjew oder Lao Tsu, mit denen ich nun im Guten wie im Bösen zusammen sein werde, daß ich solche Menschen nie erreichen werde.
    Es wird mir jetzt klar, daß ich alles, was ich in meinem Leben unternommen habe, vielleicht mit zu heißem Herzen tat; doch ließ ich es nie an Festigkeit und Ausdauer fehlen. Ich bemühte mich stets, an die Menschen zu glauben, und wenn ich mich einmal über jemanden ärgerte, dann wohl am meisten über mich selbst, daß ich nicht so sein konnte wie Hannibal Smith. Als ich das erstemal einem Mädchen ein Liebesgeständnis

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