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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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machte, konnte ich nicht genügend große und schöne Worte finden, um so richtig das auszudrücken, was ich fühlte. Deshalb sagte ich ihr, nach meiner Vorstellung sei die Liebe nicht die Sphäre des Höhenfluges, wie ich sie so oft erlebe, sondern so etwas wie die Erde, etwas, worin man Pfähle einschlagen, worauf man Mauern errichten und Häuser erbauen kann.
    Daß ich sie nicht überzeugte, ist eine andere Sache.
Navigare necesse est
    Der Startplatz lag in der früheren Wüste Gobi und war eine erhaltengebliebene Sandfläche von ungefähr tausend Hektar. Ein Flugzeug brachte mich dorthin. Der Pilot, ein Kollege vom Zentralen Luftfahrtdienst, schwieg den ganzen Weg über, zum Teil, weil ihn die schlechte Witterung zur Aufmerksamkeit zwang, zum Teil aber auch, weil er sich ebenfalls um den Platz in der Expedition beworben hatte und abgelehnt worden war. Ich konnte zunächst ein unbehagliches Gefühl ihm gegenüber nicht loswerden; dann aber erblickte ich aus der Höhe von sechstausend Metern die silberne Rakete – und alles andere war für mich vergessen. Unser Flugzeug landete, rollte auf sie zu und ging gleich wieder an den Start. Mit einem gewissen Zögern reichte ich meinem Kollegen die Hand. Wir hatten uns schon vorher gekannt und waren auf dem besten Wege gewesen, Freunde zu werden, und nun schien diese Sache zwischen uns zu stehen, vielleicht gerade deshalb, weil er erst einundzwanzig Jahre alt war. In dem Augenblick aber, als er von seinem Sitz aufstand und sich zu mir herausbeugte – ich war bereits auf die Tragfläche geklettert –, da fühlte ich, daß alles in Ordnung war, und wir umarmten uns zum Abschied. Er hatte sich selbst überwunden und gönnte mir nun neidlos das große Erlebnis. Daher wurde es mir auch besonders schwer ums Herz, als die Maschine verschwand und ich auf die Rakete zuschritt.
    Die Menschen, mit denen ich fliegen sollte, waren fast alles Fremde für mich. Soltyk hatte ich schon früher in der Zentralen Luftfahrtschule flüchtig kennengelernt, die Wissenschaftler aber erst vor einigen Monaten in Leningrad, bei der technischen Umschulung. Dieser Kursus hatte einen sehr förmlichen Charakter gehabt, und so waren wir uns persönlich nicht viel nähergekommen. Ich watete durch den tiefen Sand auf die kleine Gruppe von Menschen zu, die sich von der Wand des „Kosmokrator“ abhob. Erst als mich nur noch etwa hundert Schritte von ihnen trennten, überlegte ich, daß meine Befürchtungen dem einen oder anderen lächerlich erscheinen könnten. Ich hatte Lampenfieber, nicht vor dem Flug nach der Venus, sondern von diesen unbekannten Menschen. Mir war zumute wie bei einer schwierigen Kletterpartie, wenn es gilt, durch sich selbst den anderen zu sichern, um dadurch selbst gesichert zu sein. In solchen Augenblicken gewinnt das Wort, sich auf jemanden verlassen zu können wie auf sich selbst, erst seinen tiefsten Sinn.
    Die offizielle Verabschiedung der Expedition hatte schon vor einer Woche stattgefunden. Ich hatte an dieser Feier nicht teilnehmen können, da ich die Formalitäten, die mit meinem Ausscheiden aus dem Flugdienst verbunden waren, erledigen mußte. Nun standen inmitten der weiten Sandfläche kaum einige Dutzend Leute – die Familienangehörigen der Abfliegenden, der Präsident und einige Mitglieder der Akademie der Wissenschaften. Ich kam mir sehr verlassen vor. Niemand erwartete mich. – Meine Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und der Vater war an seinen Flugplatz in Pjatigorsk gebunden. In diesem Augenblick ertönte das Brummen eines Flugzeugmotors. Die Maschine, die mich hergebracht hatte, ging tiefer. Genau über der Rakete sandte mir der Pilot den letzten Fliegergruß zu, indem er mit den Tragflächen „wackelte“. Ich stand noch immer da und starrte dem Fugzeug nach, als Arsenjew auf mich zutrat und mir die Hand reichte.
    „Na, da ist er ja endlich, der Mann vom Kantschindschinga“, rief er. Ich konnte ihm nur mit einem Lächeln antworten.
    Der Start sollte um ein Uhr nachmittags erfolgen. Man hatte dafür dieses menschenleere Stück Wüste vorgesehen, da man die Atmosphäre mit großer Kraft durchstoßen mußte und die aus der Rakete geschleuderten Atomwolken gefährliche Verwüstungen verursachen konnten.
    Als ich alle begrüßt hatte, begab ich mich mit Ingenieur Soltyk in den Vorderteil des Weltraumschiffes, um zum letztenmal das für mich bestimmte Aufklärungsflugzeug zu überprüfen. Ich war noch nicht damit fertig, als man mich abrief. Auf einer

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