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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
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Schlaglöchern und schrägen Bodenwellen durchsetzten strada bianca von Rombolina hinunter nach Canavaccio rollte er die nächsten 30 Kilometer auf der Via Nazionale SS 73, bis zur Ausfahrt Fossombrone Est. Von dort schlängelte er sich auf kurvenreichen Straßen durch die hügelige Landschaft nach Isola di Fano und dann weiter nach Cartoceto, wo er die Abzweigung ins Val di Tarugo nahm. Ab hier wurde die Straße sehr schmal, beengt vor allem durch das steil zum Bach abfallende Ufer auf der einen Seite und durch uralte Eichen auf der anderen, die niemand gewagt hatte zu fällen, nur um der Straße einen geraden Verlauf zu ermöglichen. Ebenso grenzten uralte, schiefe rustici unmittelbar an den Rand der Straße und engten sie zusätzlich ein, gebaut zu einer Zeit, als es hier nur einen staubigen Weg für Ochsenkarren gegeben hatte. Ramponierte oder gar fehlende Steine in den Hauswänden zeugten von vielen unfreiwilligen Begegnungen zwischen Mauern und vorbeifahrenden Fahrzeugen. Manche Hausbesitzer hatten reflektierende rot-weiße Bänder angebracht, andere stattdessen die Mauern mit armiertem Beton verstärkt, mit Erfolg, wie man an den vielen unterschiedlichen Autolackfarben erkennen konnte.
    Die Zeichen der Armut, wie sie hier seit Jahrhunderten herrschte, waren allgegenwärtig. Nichts wurde weggeworfen, alte Schnüre wurden gesammelt, ebenso Holz- und Metallreste, Plastikplanen oder Zaundrahtreste, die zusammengeknüpft wieder ein paar Meter neuen Zaun hergaben. Die Felder waren winzig, viel Platz bot das schmale Tal nicht, und die Hügel rechts und links des Rio di Tarugo waren in der Regel zu steil, um ihnen zusätzliche Anbauflächen abzuringen. War es in anderen Gebieten wie zum Beispiel auf dem nahen Monte Dolciano üblich, dass Söhne, wenn sie eine eigene Familie gründeten, an das Haus der Eltern weitere Zimmer anbauten und so ausufernde Gehöfte erzeugten, so waren die rustici im Val di Tarugo winzig geblieben, weil das Tal keine zusätzlichen Familien hätte ernähren können. Die jungen Leute waren immer schon gezwungen gewesen, wegzugehen und sich in anderen Gegenden niederzulassen. Was auch ein Grund war, warum man heute im Val di Tarugo fast nur noch alte Leute sah, für die die moderne Welt lediglich aus den vorbeifahrenden Autos bestand, die hin und wieder ihre Außenwände rammten und es manchmal sogar schafften, mit ihren Stoßstangen bis ins Wohnzimmer oder in die Küche vorzudringen.
    Einzigen bescheidenen Wohlstand hatte sich die Familie Lorenzetti mit ihrer Ölmühle, der frantoio oro , erwirtschaftet, die sie seit Generationen unweit des winzigen, wehrhaften Örtchens Torricello betrieb, unmittelbar am Ufer des schmächtigen Rio di Tarugo , den sie mit einfachen Mittel aufgestaut hatten, um genug Wasserdruck für den schweren Mühlstein zu schaffen. Unter Kennern galt die frantoio oro als die beste weit und breit, weil sie noch heute mit wunderbar alten, mit dem Öl von Jahrhunderten getränkten Mühlsteinen arbeitete.
    Punkt vier Uhr, freute sich Roberto, als er den Scudo auf den Hof der frantoio lenkte und neben der stockdunklen Laderampe hielt. Wieder diese wohlige Gewissheit, zu derart früher Stunde der Erste zu sein, so wie jedes Jahr. Kaum hielt er an, wimmerte Franco auf und starrte entsetzt in die Dunkelheit.
    «Ölmühle», sagte Roberto.
    «Ich sehe nichts.»
    «Weil es dunkel ist.»
    «Das seh ich.»
    «Na also.» Roberto stieg schnell aus. Franco ging ihm gehörig auf die Nerven. Er war ein sensibler Künstler, und einen Mord zu beobachten hatte schon stärkere Menschen umgehauen, aber musste er deswegen zu einem Schoßhündchen mutieren? Sobald Roberto hier fertig war, würde er ihn endgültig in dessen palazzino in der Via Minore abliefern. Franco hatte das kleine Stadthaus von seinem Großvater geerbt, andernfalls hätte er sich als Musiker und Komponist ein Häuschen in der Altstadt von Urbino ganz sicher nicht leisten können.
    Roberto ertastete die Kante der Laderampe und flankte hinauf – er versuchte es zumindest. Erst beim vierten Versuch gelang es ihm, seinen ganzen Körper und nicht nur ein Bein hinaufzuwuchten. Einmal mehr schwor er sich, ein paar Kilo abzuspecken. Unbedingt.
    Der Lichtschalter für die Hofbeleuchtung befand sich an der Wand neben dem Schiebetor, daran erinnerte er sich. Vittore Lorenzetti, der padrone , war ein extrem geiziger Kerl, der nichts von nächtelang brennenden Lampen hielt. Noch hat jeder meine Mühle gefunden, lautete seine Devise,

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