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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
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eine Aura, die von diesen vergilbten Seiten, dieser merkwürdigen Schrift, diesem muffigen Geruch ausging. Doch dann zog es mich in den Text hinein. Aufzeichnungen über sein Leben, wie er seine Frau, also meine Oma, kennengelernt hat. So was. Und dann, unter dem Datum 16. Oktober 1943 …» Franco kämpfte mit seiner Fassung, wieder musste er eine Weile schlucken und würgen. «Weißt du, was an dem Tag passiert ist, Roberto? In Rom? Es war die Zeit der deutschen Nazibesatzung. Am 16. Oktober 1943 haben die Nazis Dutzende von römischen Juden exekutiert. Der ‹Schwarze Samstag› wurde er genannt. Und sieben dieser Juden stammten aus Urbino.»
    Francos Blick klebte am Boden.
    «In unserer Familie hieß es immer, der Opa sei während der Nazizeit Widerstandskämpfer gewesen.» Er schüttelte den Kopf, Tränen perlten seine Wangen hinunter. «Weißt du, was die Wahrheit ist? Er hat die sieben Juden aus Urbino an die Gestapo verraten. Mein Opa. Er wusste, wo sie sich versteckt hielten. Oddio , wie soll ich den Urbinati jemals wieder in die Augen sehen?»
    Roberto nahm den weinenden Künstler in die Arme. Der lehnte sich nur kurz an Robertos Schulter und richtete sich gleich wieder auf.
    «Mein Opa», fuhr Franco fort, «wurde 1946 unter mysteriösen Umständen ermordet. Das war vor genau 66 Jahren. Verstehst du, Roberto? Vor genau 66 Jahren … das war der Golem. Und alle 33 Jahre kommt er wieder. Vor 33 Jahren, 1979, wurde mein Vater von einem Unbekannten überfallen und schwer verletzt. Niemand wusste, wer das war. Und jetzt, 66 Jahre später, will der Golem mich holen.» Alle Kräfte entwichen aus Francos Körper, und er wäre auf den Boden aufgeschlagen, hätte Roberto ihn nicht aufgefangen. Passanten, die näher kommen wollten, um zu helfen, bedeutete er unmissverständlich weiterzugehen.
    «Es gibt keinen Golem, Franco, das hast du vorhin selbst erkannt. Ein Hirngespinst, eine Halluzination aufgrund von Drogen.»
    «Er will mich», stammelte Franco, das Gesicht von Furcht und Panik verzerrt. «Er will mich.»
    «Und wieso hat er dann Ruggero Grilli getötet?»
    «Er hat sich geirrt. Er will mich.»

[zur Inhaltsübersicht]
    19.
    Bis sie die Wache der Polizia Municipale im Palazzo del Legato Albani erreichten, hatte Roberto alles versucht, Franco sein Schuldgefühl zu nehmen, er hatte auf ihn eingeredet und argumentiert. Keine Theorie der Welt kann einem Kind, das 1981 geboren wurde, die Mitschuld an einem Ereignis geben, das 1943 stattgefunden hat. Für die Taten seines Opas war nur der und sonst niemand verantwortlich. Franco schien ihm gar nicht zuzuhören, offenbar absolut versteift in die Idee seiner Schuld.
    Im Vorraum der Wache winkte Agnello Battistelli mit genüsslicher Freude Roberto zu. «Nach oben, Rossi, ma subito , der Chef ist rasend vor Wut.»
    Roberto schob sich wortlos an Battistelli vorbei. Er mochte ihn nicht besonders, weil er und Cottelli ständig ihre Köpfe zusammensteckten und sich über andere lustig machten. Man durfte mit Battistelli kein Geheimnis teilen, er würde es sofort an Cottelli weiterreichen. Der würde es als Nächstes Maria Corbucci erzählen, was wiederum dasselbe war, als würde man es in Großbuchstaben auf die Außenhaut eines Zeppelins malen und diesen in geringer Flughöhe ununterbrochen über Urbino kreisen lassen.
    Roberto bugsierte Franco in die Ecke, in der einige Besucherstühle standen. Kein gemütlicher Ort, aber der einzige, an dem Franco ihm nicht zwischen den Füßen herumlief und er sich gleichzeitig sicher fühlen konnte. Dort saß schon Sergio Bonasera und machte einen nervösen Eindruck, was wohl auch mit den vier geleerten Espressotassen auf dem Boden vor ihm zusammenhing.
    « Buon giorno , Poliziotto Rossi», grüßte Sergio bemüht gelassen, aber seine blitzenden Augen verrieten, wie wütend er war. «Elf Uhr, richtig?»
    Roberto warf einen Blick auf die grottenhässliche Digitaluhr an der Wand, die Cottelli in seinen Bemühungen, alles zu modernisieren, hatte anbringen lassen. Roberto war sie genauso ein Dorn im Auge wie die dämliche Kuckucksuhr in seinem Büro, das natürlich nicht seins war, sondern von dem jeweils diensthabenden Polizisten benutzt wurde. 11.32 Uhr.
    «Du bist zu früh», log Roberto. «Wir hatten zwölf gesagt.»
    Wieder blitzten Sergios Augen auf. «Dann habe ich mich wohl geirrt.»
    «Nimm noch einen caffè . Fünf ist eine Glückszahl. Ich bin gleich zurück.» Roberto warf einen letzten Blick auf Franco, der sich

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