Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Unding, Rossi. Unentschuldbar.»
«Es war mitten in der Nacht. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?»
Cottelli wischte seinen Einwand unwillig beiseite. «Du wirst Domenica Galeotti sofort abholen und an einen sicheren Ort bringen.»
«Als da wäre?»
«Bring sie in ihr Haus und schärf ihr ein, niemandem die Tür zu öffnen.»
«Da sitzt ihr Ehemann, von dem sie sich gerade getrennt hat.»
«Der wird sie wohl kaum umbringen.»
«Sie bewerfen sich mit Schuhen.»
Cottelli wedelte majestätisch mit der Rechten. «Zisch ab und lass dir was einfallen.»
Roberto erhob sich stöhnend aus dem tiefer gelegten Stuhl.
«Und, Rossi: Noch so eine Nummer, und du bist fällig.»
Na klar, ich zittere jetzt schon vor Angst, dachte Roberto und gab sich keine Mühe, den dazu passenden Gesichtsausdruck zu verbergen. Was Cottelli natürlich nicht entging.
«Es wird eine Zeit kommen, da hilft dir dein fadenscheiniger Kontakt zum Hochadel nicht mehr. Und dann gnade dir Gott. Dann sitze ich dir im Nacken. Wie ein –», er ruderte mit dem Arm in der Luft auf der Suche nach dem richtigen Wort.
«Wie ein Golem?»
«Raus!»
Unten im Vorraum der Wache sprang Sergio auf, als er Roberto die Treppe herunterkommen sah. «Hören Sie, Poliziotto Rossi, ich habe wirklich keine Zeit mehr. Ich warte jetzt schon eine Stunde.»
«Wir haben 12 Uhr gesagt. Jetzt ist es 11.50 Uhr.»
«Wir haben –», platzte es aus Sergio heraus, dann beherrschte er sich jedoch, was ihm sichtlich Mühe bereitete. « Va bene , in zehn Minuten also.»
«Mehr oder weniger», erwiderte Roberto und verließ die Wache, ohne sich umzudrehen. Er hatte nicht eine Sekunde lang Zweifel, dass Franco keine fünfzig Zentimeter hinter ihm hertrottete.
Sergio war ihm unsympathisch, so viel war klar. Nicht nur weil er aus Mailand kam. Aber auch. Mailänder sind eingebildet, sie sehen sich selber als die New Yorker Italiens, ausgebufft, hart, clever und unglaublich wichtig, unglaublich lässig, Großstadtmenschen, denen kein Provinzler das Wasser reichen kann. Nein, es waren seine Augen, sein Blick, der ständig verriet, wie lästig ihm normale Menschen waren. Darin steckte eine hässliche, aggressive Überheblichkeit, eine, die befürchten ließ, von ihm aufgespießt zu werden, sobald sich ihm dazu eine Gelegenheit bot. Ganz sicher hatte Sergio sich nicht in dieser Gegend niedergelassen und das rustico in den Hügeln des Monte Cesane gekauft, weil er die Menschen hier liebte und respektierte.
Roberto musste an den zwei Meter hohen verzinkten Zaun denken, mit dem er seinen gesamten Grund eingeschlossen und der zum Streit zwischen ihm und Ruggero Grilli geführt hatte. Bei Ruggero war da mit Sicherheit viel Wut im Spiel gewesen, vielleicht war es deswegen zu der nächtlichen Schlägerei gekommen, an deren Ende Ruggero tot war. Denkbar, obwohl Francos Beschreibung des Täters überhaupt nicht zu Sergio passte, denn der Mailänder war weder massig noch klein und breit, sondern sehnig, groß und schlank. Aber das musste nichts bedeuten, schließlich hatte Franco im Drogendelirium phantasiert.
«Wer ist da?», blaffte eine Stimme aus Robertos Handy.
«Agente Roberto Rossi.»
«Von?»
«Polizia Municipale, Urbino. Ich brauche –»
«Mit euren Falschparkern müsst ihr schon alleine klarkommen», unterbrach ihn die Stimme. «Die Guardia di Finanza hat andere Aufgaben.»
«Es geht um einen Mord.»
«Mord? Wahrscheinlich an einer Taube, eh? Wurde von einem motorino überfahren? Anschließend Fahrerflucht?» Die Stimme lachte meckernd.
Roberto versuchte, nicht wütend zu werden. Die von der Guardia di Finanza hielten sich für wer weiß was, schlimmer noch als die Carabinieri. «Hier wurde jemand erschlagen. Es besteht der Verdacht, dass der Täter aus Wut gehandelt hat, weil das Opfer ihn möglicherweise bei euch angeschwärzt hat. Ich muss wissen, ob bei euch eine Anzeige von einem gewissen Ruggero Grilli gegen einen gewissen Spartaco Mori vorliegt und was ihr gegebenenfalls unternommen habt.»
«Musst du, aha.»
«Ja.»
«Und seit wann führt ihr bei der Municipale Mordermittlungen durch, eh?»
«Ist ein Sonderfall», erwiderte Roberto und legte einen Schritt zu, um möglichst schnell die Piazza hinter sich zu lassen. Unter der antiken Uhr knubbelten sich etliche Urbinati, durchweg Männer, die erregt diskutierten und immer wieder auf ihn und Franco deuteten. Es brauchte keinen besonderen Scharfsinn, um zu ahnen, worum es da ging und dass sie
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