Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
ihn gleich mit Fragen und besonders schlauen Theorien bombardieren würden.
«Soso. Aha. Dann sag ich dir jetzt mal, was der Normalfall in einem Sonderfall ist: Du stellst einen offiziellen Antrag auf Übermittlung finanzpolizeilicher Daten, lässt ihn von deinem Chef unterzeichnen, steckst ihn in einen Briefumschlag, Briefmarke drauf und ab damit. Wir überprüfen alles und melden uns. Wie hört sich das an?»
«Scheiße, du Sesselfurzer!» Plötzlich war es vorbei mit seiner Selbstbeherrschung. «Hier geht es um Mordermittlungen, nicht um eine Razzia in einer gelateria ! Was bildest du Finanz-Arsch dir eigentlich ein?»
«Hast du gerade Finanz-Arsch gesagt?»
«Finanz-Arsch. Mehrwertsteuer-Zecke. Zoll-Heini.»
«Wie war noch dein Name, Freundchen?», zischte die Stimme.
Roberto unterbrach schnell die Verbindung, zitternd vor Wut. Nur ein Rest an Selbstbeherrschung hielt ihn davon ab, sein Handy in die Menschentraube zu schleudern, die sich jetzt geschlossen in seine Richtung in Bewegung setzte. Ihren Gesichtern nach zu urteilen, waren sie empört und gleichzeitig verängstigt. Ohne Franco im Schlepptau würde Roberto sich jetzt über die Via Battisti aus dem Staub machen, doch der Komponist hatte sich in sein leeres Pistolenholster eingehakt und verlangsamte dadurch sein Tempo erheblich. Also bog er weder in die Via Battisti noch in die Via Veneto ein, sondern betrat Totos Bar, in der Hoffnung, dass die Meute nicht folgen würde, denn bei Toto konnte man nicht einfach nur herumstehen, sondern musste etwas bestellen.
Eine trügerische Hoffnung. Noch während er einen crodino , einen tramezzino con tuna und ein paar Oliven bestellte, drängte sich die Traube herein. Zuerst war Roberto froh, dass weder Attilio Brozzi noch Egidio Cecchetti oder deren Apologeten unter ihnen waren. Doch schon nach den ersten Worten der Traube lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
«Wir brauchen Polizeischutz. Die Synagoge ist ein Hort des Verbrechens! Schluss mit der Nachsicht, jetzt muss gehandelt werden!»
Sätze wie diese offenbarten eine Mischung aus Wut und Angst, die etwas Explosives hatte. Die Golem-Hysterie beschränkte sich nicht mehr nur auf die versponnenen Verschwörungstheoretiker mit ihrem Geschwätz. Diese Menschen da vor ihm, mit ihren zornigen Gesichtern, waren freundliche Durchschnittsbürger: Claudio Tonti, Gemüsehändler, Giovanni Cuzzopoli, Lkw-Fahrer, Quinto Macci, Beamter, Maria Berluti, Notarsgehilfin, Bruno Sordillo, Automechaniker, Nello Bonci, Bankangestellter, Gilberto Sabatini, Rahmenmacher. Und einige, die er nicht kannte. Schweren Herzens legte Roberto sein tramezzino unangebissen wieder auf den Teller.
«Ihr wisst, wer ich bin», begann er.
«Was soll das, Poliziotto?», tönte es ihm entgegen. «Hier geht es nicht um dich.»
«Ich ermittle in der Sache Ruggero Grilli. Das hier ist Franco Varese. Er hat das mit dem Golem aufgebracht. Wisst ihr, was sich heute herausgestellt hat? Franco stand unter Einfluss einer starken Droge, als er den Mord an Grilli beobachtet hat. Der Golem ist nichts als eine Halluzination.»
Für einen Moment war Stille. Franco, das spürte Roberto ganz genau, hätte sich vor Scham am liebsten in Luft aufgelöst.
«Was ist mit Donna Domenica?», fragte Gilberto Sabatini. «Ich habe die beiden Golems mit eigenen Augen gesehen. Und ich nehme keine Drogen. Außerdem, du warst selber dabei, Poliziotto.»
«Es war dunkel, und ich habe zwei vermummte Kerle gesehen.»
«Die sich wie Geister plötzlich in Luft aufgelöst haben.»
«Die weggelaufen sind, sonst nichts.»
«Da lag Lehm am Boden, ich bin selber gucken gegangen, am nächsten Morgen.»
«Wir sind in Urbino, Sabatini. Urbino ist aus Terrakottaziegeln erbaut. Was meinst du, was Terrakotta ist? Nichts als Lehm. Lehm ist so ziemlich das Häufigste, was hier bei uns anzutreffen ist. Außer neuerdings der grenzenlosen Blödheit von Spinnern, wie ihr es seid.»
«Lenk nicht ab. Ich weiß, was ich gesehen habe.»
«Du hast eine Menge Nebel gesehen und vier Personen, von denen du zwei kanntest und zwei nicht.»
«Wer sagt denn, dass Franco nicht unter Folter seine Aussage widerrufen hat?», warf Claudio Tonti ein.
« Dio Santo , Tonti! Hast du zu viel von deinem verfaulten Gemüse gegessen?» Roberto packte Franco unsanft am Arm. «Los, Franco, erzähl ihnen, wie das war mit deinem Lianen-Gebräu.»
Franco hatte mit aufgerissenen Augen zugehört und brachte kein Wort hervor.
«Was ist?», fuhr Roberto ihn
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