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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
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verdammt noch mal!?»
    «Alles Mögliche.»
    «Auch was Besonderes?»
    «Nicht wirklich. Höchstens dass er sich von einem dahergelaufenen Fremden nicht sein Leben zerstören lässt.»
    «Das hat er so gesagt?»
    «Gleich mehrmals.»
    «Und wen meinte er mit dem dahergelaufenen Fremden?»
    Remo zuckte mit den Schultern.
    «Den Golem», rief Attilio Brozzi in die Stille. Seine Anhänger nickten inbrünstig, und Franco verließ fluchtartig die Bar. Roberto warf eine Handvoll Zwanzigcentmünzen auf die Theke und folgte.

[zur Inhaltsübersicht]
    18.
    Draußen suchte Roberto den Komponisten zunächst vergeblich, bis er ihn hinter einem parkenden Auto auf der anderen Straßenseite gegen die Brüstung der Stadtmauer gelehnt sah, vorgebeugt und mit zuckenden Schultern. Er ging hinüber und packte ihn.
    «Ich will jetzt von dir wissen, was da in der Nacht wirklich gewesen ist!»
    Franco versuchte, seinem Blick auszuweichen. Roberto fasste Francos Kinn mit einer Hand und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen.
    «Was hast du wirklich gesehen?»
    «Einen Golem, Roberto, ehrlich.»
    «Falsche Antwort.»
    Franco schwieg.
    «Dieser Deutsche ist der Meinung, du hättest unter Einfluss von Drogen gestanden.»
    Franco erstarrte und sah über Robertos Schulter hinweg ins Leere.
    «Der Teutone ist ein cretino integrale . Aber er war mal Bulle in München. Ganz blöd ist er nicht.»
    «Ayahuasca», flüsterte Franco.
    «Aya- was?»
    In Franco arbeitete es, und plötzlich redete er wie ein Wasserfall. «Du weißt, ich habe im Amazonas-Regenwald die Klänge vom Aussterben bedrohter Tierarten aufgezeichnet. Ich habe in einer Hütte bei den Sikuani-Indianern gewohnt, die waren früher mal Kannibalen, aber heute sind sie ganz nett. Ich war ein paar Mal Zeuge einer rituellen Zeremonie, weißt du, das ist eine magische Sache, mit Masken und Körperfarben und Trommeln und –»
    « Cazzo , komm zum Punkt.»
    «Es geht darum, in die Zukunft zu blicken und –»
    «Zum Punkt!»
    «Die benutzen dafür ein Getränk, das nur die Männer trinken dürfen, sie nennen es Ayahuasca, was man übersetzen würde mit ‹Liane der Geister› oder ‹Ranke der Seelenkranken›.»
    «Ja, und?»
    «Der Medizinmann hat mir ein Säckchen mit den Zutaten mitgegeben. Fasern der Ayahuasca-Liane und Chacruna-Blätter. Das Ganze köchelt man ein paar Stunden zu einem Gebräu, das durchaus passabel schmeckt, wenn man es mit Honig süßt.» Er zuckte mit den Schultern. «Vielleicht habe ich gestern Nacht ein Tässchen zu viel davon getrunken.»
    «Aha, und welche Wirkung hat dieses Gebräu?»
    «Die Medizinmänner benutzen es auch, um bestimmte Geister zu treffen. Ayahuasca ist eine halluzinogene Droge. So wie LSD.»
    «Das heißt im Klartext: Du hast Gespenster gesehen, wo keine waren.»
    «Ja, genau», atmete Franco auf, «das ist der Grund.»
    «Der Golem ist also ein Hirngespinst?»
    «Ein Hirngespinst, ja.» Franco wirkte plötzlich sehr erleichtert.
    Roberto nicht. Er zog den Kragen seiner Daunenjacke hoch bis an die Ohren und stapfte los, die Via Matteotti enlang, die am Teatro Sanzio in den Corso Garibaldi überging. Es war nur ein Gefühl, eine Intuition, doch Roberto war nicht der Typ, der Gefühle für untergeordnet hielt, auch weil Logik und Theorie nicht zu seinen Stärken zählten. Franco wollte ihn auf eine falsche Fährte locken. Sein Geständnis hatte etwas von einer schnell zusammengehauenen Geschichte, irgendetwas daran war faul. Nicht das mit der halluzinogenen Droge, die erklärte sicherlich das Augenflitzen, das Pappelzittern, Francos irren Pulsschlag und all das wirre Zeug, das er bisher geredet hatte. Faul war etwas anderes. Franco war kein Typ, der Drogen nahm. Er war ein Purist und legte großen Wert darauf, seine Kunst mit klarem Kopf zu machen, und da es für ihn keine Trennung gab zwischen dem Künstler und dem Privatmann Franco, hielt er sich von allem fern, was seine Sinne benebelte. Nur selten ließ er sich zu einem Glas Wein überreden, von dem er dann höchstens die Hälfte trank. Und der besonders unter den Jugendlichen in Italien weit verbreiteten Pest, von morgens bis abends Dope zu rauchen, konnte er nichts abgewinnen. Ganz sicher hatte Franco bei den Sikuani-Indianern im Amazonas-Regenwald dieses Ayahuasca ausprobiert, um deren Vertrauen nicht zu enttäuschen, und ganz sicher hatte er dessen Zutaten als Geschenk angenommen. Und vielleicht hätte er sogar in einer spontanen Aufwallung auch hier in Urbino ein Schlückchen von der

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