Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
guttural, mit vorgestülptem Unterkiefer und ohne die Verben richtig zu konjugieren – lächerlich, einfach lächerlich!» Antonia stand mit hochrotem Kopf in Malpomenas Wohnzimmer und wedelte sich mit ihrem Seidenschal Luft zu, als müsste sie mit hochsommerlichen Temperaturen kämpfen. Das Gegenteil war der Fall, Malpomena heizte ihre Räume nie über 19 Grad.
«Hat er gesagt, was er wollte?», fragte Roberto.
«Pah!» Antonia stach mit ihrem Zeigefinger in der Luft herum. Roberto wartete, ob da noch mehr kommen würde.
«Hat er?»
«Antonia hat ihn in die Flucht geschlagen», sagte Malpomena und schüttelte missbilligend den Kopf. «Just in dem Moment, als er den Kern seiner Forderung formulieren wollte.»
«Hätte ich ihn erst sein Messer in meinen Leib bohren lassen sollen, ist es das, was du meinst?», erregte sich Antonia. «Hätte ich ihm meinen Vagusnerv zum tödlichen Schlag präsentieren sollen?»
«Ein halber Satz mehr, und wir wüssten, worum es geht.»
Antonia heulte auf. «Du würdest meinen Tod zugunsten einer Information in Kauf nehmen, verstehe ich das richtig?»
«Wie lautet denn der erste halbe Satz?», ging Roberto dazwischen.
Antonia schwieg für einen Moment und starrte ihre Schwester böse an, die ebenso böse zurückstarrte. «‹Du wirst ein Dokument unterschreiben und› – das waren seine Worte.»
«Welches, wissen wir nicht, weil Antonia den Angreifer in dem Moment mit Xylocain-Dentalspray attackiert hat.»
«Malpomena hat es mir vor ein paar Tagen als Symptombehandlung gegen meine Zahnschmerzen verschrieben.»
«Sehr wirksam», sagte Malpomena. «Vor allem wenn man es in die Augen bekommt. Die fühlen sich sofort an wie ballonartige Fremdkörper, was jedoch keinem sensorisch bedingten Gefühl gleichzusetzen ist, weil die Augen ja betäubt sind, sondern was uns unser Gehirn, genauer gesagt das lymbische System zusammen mit dem Prosencephalon, vulgo: Vorderhirn, vorgaukelt. Die Wirkung jedoch –»
«Papperlapapp», ging Antonia dazwischen. «Ich habe gesprüht, und er hat das Weite gesucht, nicht ohne ein Säckchen Lehm zurückzulassen, was mich, ich gebe es offen zu, sehr wütend gemacht hat, ja was glaubt denn dieser unmögliche Mensch, mit wem er es hier zu tun hat, mit abergläubischen Hinterwäldlern?»
Für einen Moment herrschte Stille. Die beiden Schwestern vermieden es, Roberto anzusehen, und der bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, als fühlte er sich nicht angesprochen.
«Ich bin ihm gefolgt», nahm Antonia den Faden wieder auf.
«Du bist was? Einem brutalen Schläger, einem Killer?» Roberto konnte es nicht glauben. «Erst Malpomena, dann du! Seid ihr Mädels denn von allen guten Geistern verlassen?»
«Unsere Ahnen, lieber Roberto, waren Feldherren und Fürsten, die es verstanden haben, sowohl ihre Besitztümer zu schützen als auch zu gegebener Zeit im Dienste des Papstes oder des Königs Unbill zum Beispiel aus dem barbarischen Germanien abzuwehren; der Palazzo, in dem unsere Oma wohnt, ist gar ein Geschenk von Seiner Heiligkeit, Papst Clemens VII., für die Feldherrndienste unseres Vorfahren Ubaldo Del Vecchio, und da soll ich vor einer, einer Pappnase, die sich als Golem aufspielt, Fersengeld geben? Niemals!»
«Brava, brava!» , applaudierte Malpomena, plötzlich ein Herz und eine Seele mit ihrer tapferen Schwester.
Roberto schüttelte den Kopf, war allerdings auch ein wenig stolz auf die beiden, gerade auf Antonia, die mit ihrer elfenhaften Zartheit eher wie jemand wirkte, der für diese Welt nicht geschaffen war und über keinerlei Mittel verfügte, sich gegen deren Verderbtheit zur Wehr zu setzen.
«Ich gehe so weit zu sagen: Jeder in Urbino und im Umland weiß, eine Del Vecchio lässt sich weder von Drohungen noch von physischer Gewalt zu irgendetwas zwingen, deswegen gehe ich sogar noch weiter zu sagen: Dieser Täter ist nicht von hier.»
«Du bist ihm also gefolgt», rekapitulierte Roberto.
«Es war sehr nebelig, dunkel und kalt, und mein Bauch schmerzte», schauderte Antonia.
«Wohin?», fragte Roberto, als es nicht weiterging.
«Es ist mir unangenehm, das zu sagen, weil es mir als Antisemitismus ausgelegt werden könnte, aber er verschwand in der Synagoge, ich habe ihn in diese kleine Vorhalle des Eingangsbereichs hineinschwanken sehen, ich bin hinterher, aber er war fort, wie in Luft aufgelöst.»
« Porca madosca », fluchte Roberto und fischte aus Malpomenas Schüssel mit den Süßigkeiten einen einzeln in Folie verpackten
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