Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
heimlichen Profession nichts mehr als Amateure.
Vor dem Zaun, der Sergios Grundstück umspannte, entfaltete er das Kuhfell, packte es wie eine muleta , das Tuch eines Toreros, und wirbelte es durch die Luft. Ohne auch nur den Zaun zu berühren, flog es darüber hinweg und landete auf der anderen Seite im Dunkeln.
«Was soll das denn?», meckerte Roberto, obgleich er wusste, wie sehr das seinen cugino aufregen würde. Der tobte wie ein Rumpelstilzchen, und es dauert mehr als eine Viertelstunde, bis er den Natodraht ohne Hilfsmittel überwunden und das Fell für die beiden platziert hatte. Franco und Roberto brauchten eine weitere Viertelstunde, bis sie endlich auf der anderen Seite des Zauns angekommen waren, wobei sich der Musiker deutlich geschickter anstellte.
Sie umrundeten das rustico , das etwa hundert Meter zurückversetzt lag, um von hinten einzusteigen. Zwar war es unwahrscheinlich, dass jemand die Straße entlangfahren und sie sehen würde, aber sicher war sicher. Als der Abstand zum Haus nur noch zehn Meter betrug, flammten plötzlich Halogenscheinwerfer auf und tauchten das Haus und die nähere Umgebung in taghelles Licht. Hinter dem Haus, von der Straße aus nicht sichtbar, sah man jetzt eine nagelneue Halle, aus vorgefertigten Betonteilen errichtet, ohne Fenster.
«Bewegungsmelder. Keiner zu Hause, sicher?»
«Ja», antwortete Roberto, obwohl er es plötzlich nicht mehr war. Vielleicht hatte Sergio eine Freundin, die im Haus hockte, während er nach Perugia zu Peter Gabriel fuhr.
Osvaldo tastete sein Gesicht ab, als müsste er sich vergewissern, dass die Schuhcreme noch da war.
«Dich erkennt keiner», bestätigte Roberto.
Osvaldo nickte und starrte das Haus an.
«Deshalb gehst du vor. Sorg dafür, dass das Licht ausgeht.»
Osvaldo wühlte in seinem Rucksack und hielt Roberto eine Dose schwarze Schuhcreme hin. «Wir gehen zusammen.» Er deutete auf Franco. «Mach den auch schwarz.»
Zehn Minuten später öffnete Osvaldo die rückwärtige Terrassentür von innen. Er war flink und mühelos die Fassade des rustico hinaufgeklettert, wieder einmal machte er seinem Spitznamen alle Ehre.
«Wonach suchen wir?», fragte er.
«Keine Ahnung», erwiderte Roberto.
Osvaldo nickte, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt, und warf sich auf eine Art Liegesessel, der wie eine erstarrte Welle aussah und nur eine einzige, wenn auch sehr bequeme Körperhaltung zuließ.
«Ich sehe mich um», sagte Roberto. «Und wenn ich fertig bin, werfen wir einen Blick in die Halle gegenüber.»
Osvaldo holte eine Zigarette hervor, zündete sie an, hängte sie sich in den Mundwinkel und verschränkte beide Arme hinter seinem Kopf. Das sah verdammt lässig aus, musste selbst Roberto zugeben, der selten Lust verspürte, an seinem cugino auch nur ein einziges gutes Haar zu lassen.
In der Tat hatte er keinen Schimmer, wonach er suchte. Also ging er durch die Räume und ließ sie auf sich wirken. Würde sein Blick irgendwo hängenbleiben, würde er sich die Sache näher ansehen. In einer Hinsicht machte Sergio es ihm einfach: Es gab in diesem Haus praktisch keine Einrichtung, die wenigen Gegenstände und Möbel waren offenbar auf die Schnelle zusammengekauft worden, wahrscheinlich weil der Brand im Purgatorio auch seine darüberliegende Wohnung komplett verdampft hatte.
Die Küche sah noch genauso aus, wie sie das Bauernpaar verlassen hatte, von denen Sergio das rustico gekauft hatte: eine lange rohe Eichenplatte als Arbeitsfläche entlang der Wand, ein aus einem Stück rotem Marmor gehauenes Spülbecken, ein mit dem Gas aus einer Bombola gespeister Herd, ein armadio , ein eierschalenfarbener Geschirrschrank aus den fünfziger Jahren, ein großer, mit einer Plastikdecke überzogener Tisch mit Sechziger-Jahre-Chromfüßen und sechs mindestens ebenso alte Stühle.
Das Schlafzimmer: superspartanisch. Vielleicht sollte er Malpomena mal mit Sergio bekannt machen. Eine drei Meter lange, vollgehängte Kleiderstange und ein riesiges Bett. Daneben stapelten sich einige Bücher. Dicke Schinken wie die Autobiographie von Keith Richards, die Herr der Ringe -Trilogie und die Otherland -Romane von Tad Williams, Bücher, die so schwer waren, bestimmt mehr als zwei Pfund, dass Roberto sich nicht vorstellen konnte, wie man sie abends im Bett lesen sollte. Seitwärts liegend, aufgestützt und mit einer Hand haltend? Oder auf dem Rücken liegend und sie mit beiden Händen auf dem Bauch balancierend? Noch während er darüber
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