Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Golem-Geschwätz die ganze Stadt in Aufruhr versetzt hatte.
Wobei, Franco tat ihm wirklich leid. Was er über seinen Opa erfahren hatte, musste ein gewaltiger Schock gewesen sein. Roberto konnte das sehr gut nachvollziehen. Franco hatte als Kind die meiste Zeit mit seinem Opa verbracht, seine Eltern hatten nur wenig Zeit für ihren Sohn gehabt. Sein Opa hingegen war immer für ihn da gewesen, hatte für ihn gekocht, mit ihm gespielt und vor allem jedoch sein musikalisches Talent erkannt und gefördert. Später hatte er ihn sogar mit seiner Ape dreimal die Woche zu einer Musiklehrerin ins sechzehn Kilometer entfernte Petriano gefahren, eine sehr kurvenreiche, hügelige Strecke, für die die schwindsüchtige Ape fast eine Stunde benötigte. Oft war Franco nach der Musikstunde so müde, dass er es sich hinten auf der Ladefläche mit ein paar Decken bequem machte und schlief, gut behütet unter einem eigens für ihn zusammengeschweißten und bespannten Regendach und chauffiert von seinem achtsamen Opa, der dann besonders vorsichtig fuhr und jedem Schlagloch auswich. Franco hatte nie auch nur den Hauch eines Grundes gehabt, in ihm einen anderen Menschen zu sehen als den freundlichen alten Mann, der alles tat, damit sein kleiner Enkel nicht darunter litt, von seinen Eltern vernachlässigt zu werden. Und wie oft hatten Familienmitglieder und Freunde seinem Opa geraten, seinen im Wert immens gestiegenen palazzino mitten in der Altstadt von Urbino zu verkaufen, damit er nicht mehr nur von seiner sehr schmalen Rente leben musste. Doch sein Opa hatte das immer sehr entschieden von sich gewiesen, er wollte, dass sein Enkel Franco die kleine Stadtvilla später einmal erbte. Francos Aussichten, als Musiker Geld zu verdienen, waren nicht rosig und wurden besonders schlecht, als sich sein Interesse auf Neue Musik und Klangkunst fokussierte. Sein Opa wollte, dass Franco es sich wenigstens leisten können sollte, in der Stadt zu wohnen, wo es Museen, Theater und Konzerte gab, wo Kunst in all ihren Facetten präsent war und wo kreative Menschen im ständigen Austausch standen. Heute war Francos kleine Stadtvilla in der Tat ein von Künstlern, Schriftstellern und Musikern gern besuchter Ort, manchmal von so vielen, dass Franco Ärger mit den Nachbarn bekam, deren Toleranz zwar nahezu unerschöpflich war – sie nannten ihn ehrfurchtsvoll maestro –, die aber schon mal an die Grenzen ihrer Duldsamkeit stießen, wenn sich fünf Free Jazzer nachts um zwei in mehrstimmiger Kakophonie übten, begleitet von einem Klavierspiel, das sich bemühte, jeder allgemein üblichen Harmonie aus dem Weg zu gehen.
Zu erfahren, dass sein gutherziger Opa Juden an die Nazis verraten hatte und somit für deren Tod verantwortlich war, bedeutete für Franco eine Enttäuschung, wie sie bitterer nicht sein konnte. Der leuchtende Stern seiner Kindheit war zu einer Fackel des Todes geworden, und wenn er heute an seinen Großvater dachte, sah er nicht dessen sanft lächelndes Gesicht, sondern das Mündungsfeuer der Gewehre, die sieben Menschen zerfetzt und getötet hatten.
Roberto nahm einen großen Schluck. Er hatte den Alkoholgehalt dieses Roten nicht mehr kontrolliert, seit er ihn vor vier Jahren aus dem Fass in die Flasche abgefüllt hatte. Damals waren es fünfzehn Prozent gewesen. Wie viel waren es wohl jetzt? Auf jeden Fall mehr.
Die Sache hier wuchs ihm über den Kopf, so viel war sicher. Galdroni musste her, unbedingt. Bestimmt hatte der commissario irgendeine Masche drauf, wie er Sergio schnell und juristisch einwandfrei überführen konnte, ohne Antonia als Lockvogel benutzen zu müssen. Roberto wurde ganz mulmig bei der Vorstellung, diese zarte Person einer solchen Gefahr auszusetzen, ganz egal wie entschlossen sie war. Dabei war ihr Plan ja nicht einmal falsch, und schwer umzusetzen war er auch nicht. Franco hatte gleich ein paar nützliche Vorschläge gemacht. Er verfügte über ein Hochleistungssendermikrophon und einen Peilsender, beide waren winzig und ließen sich unauffällig in Antonias Kleidung verstecken, man wäre also jederzeit im Bilde, wo sie sich befand und was gesprochen wurde. Außerdem würde Malpomena ihr ein noch wirksameres Betäubungsspray mitgeben, und Talias muskulöser Hausdiener Fidel hatte sich bereit erklärt, sich zusammen mit Roberto auf die Lauer zu legen, um Sergio im Falle des Falles sofort zu übermannen. Als zusätzlichen Schutz hatte Antonia sich aus der Waffensammlung des Palazzo Ducale eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher