Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Vorderladerpistole bringen lassen, die Herzog Federico da Montefeltro aus Angst vor Anschlägen immer bei sich getragen hatte. Eine fast unheimliche Aura von adeligem Pflichtbewusstsein und gediegener Noblesse ging plötzlich von Antonia und Malpomena aus, gepaart mit einer für Roberto ein wenig befremdlichen Art von Jagdfieber. Ganz eindeutig wollten die beiden stellvertretend für ihr altes Adelsgeschlecht diesem fiesen, zugezogenen Kriminellen namens Sergio Bonasera zeigen, was eine Harke war. Roberto hatte plötzlich Stolz empfunden, mit den vier Schwestern und ihrer Oma, der Baronessa, befreundet zu sein, wenngleich er einmal mehr spürte, wie groß der Abstand zwischen seiner und ihrer Welt war.
Aber den könnte er ja verringern, wenn er und Malpomena endlich, also, wenn sie mit diesem Nachwuchsthema … Hölle, warum war das nur so schwer?
Roberto verdrängte diesen unerquicklichen Gedanken sofort wieder, der hatte nun wirklich nichts in einer dramatischen Situation wie dieser verloren. Außerdem hatte er jetzt Feierabend. Antonia hatte er sicher bei ihrer Schwester Talia und dem athletischen Fidel untergebracht und vor morgen früh –
«Nessuno?»
Roberto zuckte zusammen. Gruber! Was wollte der denn um, er warf einen Blick auf die Uhr, zehn Uhr nachts von ihm? Ignorieren? Nicht reagieren? Aber wie würde das aussehen? Als hätte er Angst vor dem Teutonen. Als würde er zurückweichen. In seinem eigenen Dorf. Nicht gut.
«Es ist offen!»
Gruber schob die Tür auf. Wieso knarzte und quietschte die eigentlich so? Roberto nahm sich vor, noch bevor er ins Bett ging, ein wenig Milch und Trockenobst hinzustellen, für die arme Seele, die darin wohnte. In jeder Tür wohnt eine und meldet sich, wenn es ihr an Zuwendung fehlt.
Gruber hielt eine Weinflasche hoch, sah aber in dem Moment Robertos geöffneten Roten. «Oh, einer aus Ihrem eigenen Anbau?»
« Senz’altro », erwiderte Roberto schroff, fehlte gerade noch, dass er den aufdringlichen Teutonen auf ein Gläschen einlud.
Grubers Blick fiel auf das SATOR-Mosaik. «Oh, ein Palindrom! Als Schutzformel?»
Roberto verdrehte die Augen: Oh. Oh. Wenn der Kerl noch einmal Oh sagte! Spaccone!
Gruber lächelte freundlich. «Ich war heute im Museo Archeologico Nazionale in Ancona, besser gesagt im Kartenarchiv des Museums.»
«Hören Sie, es beschäftigt mich nicht Tag und Nacht, ob, wann oder wieso der duomo um neunzig Grad gedreht wurde.»
Gruber nickte. «Verstehe. Mich übrigens auch nicht, zumal zumindest bei mir diesbezüglich keine Fragen mehr offen sind.»
Was wollte der Angeber? Am liebsten hätte Roberto ihn auf der Stelle hinausgeworfen. Was natürlich nicht ging. Auch ein eigentlich ungebetener Gast hatte Anrecht auf Gastfreundschaft, hatte man ihn erst einmal hereingebeten. Porca troia , ärgerte sich Roberto, er hätte ihn gleich fortschicken müssen, das Gastrecht war ein heiliges Gut und konnte nur widerrufen werden, wenn der Gast selbst sich gegen den Gastgeber verging. Vielleicht konnte er Gruber zu irgendeiner Unverschämtheit provozieren.
«Setzen Sie sich.» Roberto drehte eines der bereitstehenden Gläser um und goss von seinem Roten ein. Gruber nahm das Glas und prostete Roberto zu. «Auf gute Nachbarschaft.»
Na bitte, dachte Roberto, da ging es ja schon los mit den Unverschämtheiten, ein Trinkspruch stand nur dem Hausherrn zu. «Auf die Wachsamkeit der Hausgeister», änderte er den Spruch und trank schnell, bevor Gruber wieder mit irgendwelchem Schwachsinn daherkam.
«Donnerwetter!» Gruber hatte einen kleinen Schluck lange im Mund hin und her gespült, bevor er ihn mit geschlossenen Augen schluckte. «Wie viele Umdrehungen hat der denn?»
«Fünfzehn aufwärts.»
Gruber sog das Bouquet tief durch die Nase ein und nahm noch einen Schluck. «Kompliment. Was für ein Wein!»
Roberto versuchte, nicht stolz über das Lob zu sein – wer zur Hölle war denn Thilo Gruber? Er nahm selber noch einen Schluck und schnitt sich ein Stück von dem Ziegenkäse ab, den er von dem einbeinigen Giuseppe Ferri, der eigentlich zwei Beine hatte, bekam. Roberto hatte dessen Rentenversicherungsschwindel seinerzeit nicht auffliegen lassen und wurde seitdem regelmäßig mit Käse, mit in wildem Fenchel und Knoblauch marinierten Kaninchen oder anderen marchigianischen Genüssen beliefert.
«Darf ich?», fragte Gruber und deutete auf den Käse.
Na bitte, Unverschämtheit zwei, ein Gast durfte sich nur nach Aufforderung bedienen. Andererseits: War
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