Der Polizistenmörder
nennen, denn Hector hatte sorgfältig und so gut er nur konnte gezielt. Das Geschoß traf die Schulter und ging am Schlüsselbein entlang direkt ins Rückenmark. Der Mann mit dem Revolver starb sofort, wahrscheinlich schon, während er noch auf den Füßen stand. Er bekam nicht einmal die Chance, sich hinzulegen und ein letztes Mal zu seufzen.
Elofsson hörte ein Auto starten und mit quietschenden Reifen davonfahren.
Dann herrschte völlige Stille, unwirklich und unnatürlich.
Nach einer Zeitspanne, die ihm sehr lang vorkam, hörte er jemanden in der Nähe herumstöbern.
Noch viel später, aber das konnte sich auch nur um Minuten oder vielleicht auch nur Sekunden gehandelt haben, kam Borglund auf allen vieren angekrochen. Er jammerte vor sich hin und leuchtete planlos mit der Taschenlampe. Fuhr mit der Hand unter Elofssons Körper, zuckte zusammen und zog sie wieder zurück. Starrte auf das Blut.
»Mein Gott, Emil«, stammelte er. Und: »Verdammt, was hast du getan?«
Elofsson fühlte alle Kraft aus seinem Körper schwinden. Er konnte nun erst recht nicht sprechen oder sich bewegen.
Borglund kam auf die Beine, schwer und keuchend.
Elofsson hörte, wie er zum Streifenwagen tappte und die Notfrequenz des Funkgerätes einschaltete.
»Hallo, hallo. Weg hundert Nähe Solbacksvägen in Ljunghusen. Zwei Kollegen erschossen. Selbst verletzt. Schußwechsel. Schießerei. Hilfe!« Aus weiter Entfernung hörte Elofsson metallisch klingende Stimmen, die aus dem Funkgerät antworteten. Zuerst die von den näher liegenden Polizeidistrikten.
»Hier Trelleborg, wir kommen.«
»Lunds Distrikt. Wir sind unterwegs.« Zuletzt die Zentrale in Malmö.
»Guten Morgen. Hilfe ist auf dem Weg. Es dauert ungefähr eine Viertelstunde, höchstens zwanzig Minuten.«
Einen Augenblick später war Borglund zurück, er machte sich am Verbandskasten zu schaffen. Drehte Elofsson auf den Rükken, schnitt den Stoff der Uniform auf und begann sinnlos Kompressen zwischen den Bauch und die blutdurchtränkte Unterwäsche zu stopfen. Die ganze Zeit über redete er undeutlich und monoton.
»Verdammt, Emil, verdammt.«
Alles rund um Elofsson war feucht. Das Blut vermischte sich mit dem Tau. Er fror. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Er wunderte sich immer noch.
Bald danach hörte man andere Stimmen. Die Leute in dem Haus hinter dem Drahtzaun waren wach geworden und wagten sich hinaus.
Eine junge Frau kniete neben Elofsson nieder und ergriff seine Hand.
»So«, sagte sie, »ganz ruhig. Bald kommt Hilfe.«
Er wunderte sich noch viel mehr. Ein Mensch hielt seine Hand. Ein Vertreter der Allgemeinheit. Nach einer Weile legte sie seinen Kopf in ihren Schoß und die Hand auf sein Gesicht.
So saß sie immer noch, als der Sirenenton von vielen Autos hörbar wurde, erst ganz leise und schwach, aber bald gellend und durchdringend.
Genau in diesem Augenblick brach die Sonne durch den Nebel und erhellte die unnatürliche Szene mit einem matten gelben Licht Dies alles fand am Morgen des 18. November 1973 am äußersten Ende des Polizeidistrikts Malmö statt. Übrigens auch am äußersten Ende von Schweden. Einige hundert Meter weiter rollten lange, glatte Wellen auf einen Sandstrand mit vielen Buchten zu, der im Dunst unendlich zu sein schien. Die See.
Dahinter lag der europäische Kontinent. Montag, der 19. November.
Hochdruck. Klare Sicht, kalt und windig.
Der Name des Tages war Elisabeth, und eigentlich war Kollberg an der Reihe, mit Folke Bengtsson zu sprechen.
Aber vieles war anders an diesem Montag. Es schien, als ob Anderslöv plötzlich wie von der Landkarte verschwunden war. Die Massenmedien hatten andere Themen.
Was war eine erwürgte, geschiedene Frau verglichen mit zwei erschossenen Polizisten? Außerdem war ein dritter verletzt, wie oder warum, wußte niemand so genau. Ein Verbrecher war tot und ein zweiter auf wilder Flucht vor der gerechten Strafe.
Sowohl Martin Beck als auch Kollberg wußten, daß es eigentlich nicht besonders gefährlich war, Polizeibeamter zu sein, obwohl die höchste Polizeileitung wie auch viele einfache Polizeikonstabler den Beruf gern als sehr dramatisch bezeichneten.
Natürlich kam es vor, daß Polizisten von Kugeln getroffen wurden, tatsächlich sehr viel häufiger, als die sogenannte Öffentlichkeit es erfuhr.
Die Unfallrate auf den Schießständen der Polizei war nämlich erschrekkend hoch, aber die Betroffenen wurden stets mundtot gemacht. Das kam daher, weil viele Polizisten junge Leute waren, die
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