Der Polizistenmörder
gern mit einer Waffe hantierten, ihnen fehlte jedoch die Routine und die Sorgfalt im Umgang mit Schußwaffen, die zivile Sportschützen fast immer auszeichnet. Sie waren ganz einfach nachlässig, und deshalb schössen sie häufig sich selbst oder andere an, allerdings selten mit Todesfolge. Darüber hinaus war es kein gefährlicher Beruf, physisch gesehen. Das größte Risiko bestand darin, sich durch zu häufiges Autofahren einen Bandscheibenschaden zuzuziehen. Eine ganze Reihe anderer Berufsgruppen verzeichnete erheblich höhere Unfallraten bei der Arbeit.
Das war aber nicht nur in Schweden so.
Um ein naheliegendes Beispiel zu nehmen, hatten in den englischen Gruben 7768 Arbeiter seit 1947 ihr Leben verloren, während im gleichen Zeitraum nur ein Dutzend Polizisten umgekommen waren.
Das ist nun vielleicht ein besonders extremes Beispiel, aber Lennart Kollberg brachte es jedesmal zur Sprache, wenn die Frage zur Debatte stand, ob die Polizei bewaffnet sein sollte oder nicht. In England, Schottland und Wales trug die Polizei, wie bekannt, keine Waffen. Und eine Erklärung dafür, daß die Polizisten in einem kleinen Land wie Schweden sehr viel häufiger verletzt wurden, mußte es doch geben. Martin Beck führte das erste Telefongespräch des Tages und mußte mit einem Mann sprechen, den er nicht ausstehen konnte.
Stig Malm.
Tatsächlich gab es nur noch einen Menschen, den er noch weniger leiden konnte.
»Dein Fall ist ja nun abgeschlossen«, begann Malm.
»Hm.«
»Etwa nicht? Soviel ich verstehe, ist er doch gelöst. Ihr habt den Mörder hinter Schloß und Riegel. Und das sogar schon, noch ehe die Leiche gefunden wurde. Wenn das auch kaum dein Verdienst ist.«
Martin Beck dachte an das Graben in Folke Bengtssons Garten, unterließ es aber, das Gespräch darauf zu bringen. Das Thema war vielleicht doch zu heikel.
»Etwa nicht?« wiederholte Malm.
»Ich will nicht gerade behaupten, daß der Fall geklärt ist.«
»Was meinst du damit?«
»Viele Einzelheiten sind immer noch unklar.«
»Aber ihr habt den Mörder doch verhaftet?«
»Davon bin ich nicht so sehr überzeugt«, widersprach Martin Beck, »obwohl es natürlich denkbar ist.«
»Denkbar? Kann es einfacher sein als so?«
»Ach ja«, entgegnete Martin Beck mit Überzeugung, »sehr viel einfacher.«
Kollberg blickte ihn fragend an. Sie saßen in Nöjds Zimmer.
Nöjd selbst war draußen und führte den Hund aus. Martin Beck schüttelte den Kopf.
»Das ist aber nicht der Grund meines Anrufs«, sagte Malm. »Du kannst deine Täuschungsmanöver gern für dich behalten. Jetzt gibt es wichtigere Dinge zu tun.«
»Welche?«
»Das fragst du tatsächlich? Drei Polizisten sind von Gangstern niedergemäht worden, und der eine Desperado ist immer noch auf freiem Fuß.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Nichts? Ja, liest du denn keine Zeitung?«
Martin Beck konnte sich die Antwort nicht verkneifen: »Doch. Aber ich glaube nicht all den Unsinn, der so geschrieben wird.«
Malm reagierte nicht. Jedesmal, wenn Martin Beck daran dachte, daß dieser Mann in Wirklichkeit sein Vorgesetzter war, fühlte er gleichermaßen Erstaunen und Verdruß.
»Die Angelegenheit ist erschütternd«, fuhr Malm weiter fort. »Der Chef ist natürlich außer sich. Du weißt, wie sehr es ihm an die Nieren geht, wenn irgendeinem unserer Männer etwas zustößt.«
Diesmal war der Reichspolizeichef offenbar nicht im Zimmer.
»Ich weiß.«
Und natürlich war der Vorfall als solcher ebenso schrecklich wie bezeichnend für die Entwicklung.
Es war nur so, daß Malms Art und Weise, über die Sache zu sprechen, den Vorfall in eine Reihe mit den Pseudoereignissen rückte, die man in letzter Zeit so häufig in einer Art Propagandaabsicht für das Polizeikorps nutzte.
»Es zeichnet sich schon ab, daß es eine Fahndung über das ganze Land geben wird. Bis jetzt hat man noch nicht einmal das Fluchtauto gefunden.«
»Was hat die Reichsmordkommission eigentlich damit zu tun?«
»Das werden Zeit und Entwicklung der nächsten Stunden in diesem fürchterlichen Drama ergeben«, antwortete Malm mit der gekünstelten Feierlichkeit, die so typisch für ihn war.
»Wie geht es den Burschen denn?« fragte Martin Beck.
»Für mindestens zwei von ihnen ist der Zustand unverändert kritisch. Die Ärzte sagen, daß der dritte gute Aussichten hat durchzukommen, auch wenn er natürlich mit einer langen Genesungszeit rechnen muß.«
»Aha.«
»Wir müssen die Möglichkeit ins Auge fassen, daß die Fahndung
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