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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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denen Friedrich und Otelo sich getroffen hatten, waren bei Weitem bewegender als die bezahlten Events der Gegenwart.
     Gemeinsame Erlebnisse, Hoffnungen und politische Debatten hatten sie zusammengeschweißt. Warum machte Otelo ein derartiges
     Geheimnis daraus, was er in Lissabon zu erledigen hatte? Nicolas packte eine unerklärliche Unruhe, er stand auf, trat an die
     Brüstung und schaute in die Nacht. Was ihn sonst beruhigte, machte ihn heute nervös. Die Motorengeräusche auf dem Weg zu Dona
     Madalenas Haus passten dazu. Es war weit nach Mitternacht.
    Er setzte sich rittlings auf die Brüstung und schaute dem Wagen nach, der erst hinter einem Hang die Scheinwerfer einschaltete.
     Wer wollte nicht gesehen werden? Sollte er sich auf die Lauer legen oder Dona Madalena einfach fragen? Das wäre am einfachsten.
    Er ging zurück und blieb vor der Bibliothek stehen. Dass |323| jemand sich zu einem Einbruch verstieg, war entweder Ausdruck von Verzweiflung oder Arroganz. Der Wunsch, hier etwas zu finden,
     musste groß gewesen sein. Nicolas machte Licht. Der Bücherhaufen am Boden erinnerte ihn an Fotos von Bücherverbrennungen.
     Nach allem, was geschehen war – konnte es möglich sein, dass ihm jemand das Haus über dem Kopf anzündete? Die Frage, wem es
     nutzte, wenn er aufgab, hatte er nicht beantworten können. Wer hatte wonach gesucht? Niemand hatte jemanden kommen oder gehen
     gesehen. Wer hatte den Hund vergiftet? Er dachte an Dona Madalena und an seinen ersten Eindruck von ihr. Ihn irritierte, dass
     sie ihm bei dieser Frage als Erste in den Sinn gekommen war.
    Was ließ sich in einer Bibliothek anderes verstecken als Informationen? Alles, was zwischen die Seiten eines Buches passte,
     ohne dass es autiel. Man musste die Bücher mit dem Rücken nach oben halten und auffächern. Dann fiel möglicherweise ein Zettel
     heraus. Er würde wahnsinnig, wenn er alle Bücher in diesem Raum auffächern müsste. Die Zeit hatte er gar nicht. Nicolas nahm
     einige der am Boden liegenden Bände in die Hand: Franz Fanon – ›Für eine afrikanische Revolution‹, ›Minima Moralia‹ von Theodor
     W. Adorno, ›Bezahlt wird nicht‹ von Dario Fó. Der Titel gefiel ihm, er legte das Bändchen zur Seite, das würde er lesen.
    Sollte er zu Bett gehen oder suchen? Er würde den Schlaf brauchen, die letzten Nächte waren kurz gewesen – dafür aber die
     schönsten, die er je erlebt hatte. Lovely Rita war ein Geschenk. Er ging hinunter und schloss die Haustür ab, zum ersten Mal,
     seit er hier war. Er warf einen Blick auf die Wohnungstür von Dona Firmina. Ihr Mann war spät gekommen, und Nicolas war sich
     über seine Rolle nicht im Klaren. Für einen Hausmeister gab es nicht viel zu tun. Otelo würde wissen, wozu er zu gebrauchen
     war, und er erinnerte sich daran, dass sie Alkohol einkaufen mussten, |324| der dem Wein zugesetzt wurde, um die Gärung zu stoppen. Er hatte keine Ahnung, wie das vonstattenging. Es gab Bücher, um das
     nachzulesen. Im Weinlexikon sah er unter Gärung nach – und stutzte. Zwischen dieser und der nächsten Seite klemmte eine Seite
     eines Dünndruckpapiers. Sie war mit Tinte beschrieben. Nicolas schüttelte das Lexikon, aber das Blatt war festgeklebt. Es
     war ein Brief – er war an ihn gerichtet – und von Friedrich unterschrieben.
    Lieber Nicolas,
    wenn du hier bist, dann bist du weit gekommen. Ich war mir sicher, dass du den Brief Wndest. Bis zu dem Tag, der für dich
     »heute« ist, habe ich beziehungsweise die Quinta dein Leben hier bestimmt. Ich war mir weiterhin sicher, dass du das Erbe
     annimmst, denn wir Hollmanns sind neugierig. Obwohl ich dich selten gesehen habe, glaube ich, dich recht gut zu kennen. Du
     bist einer von uns, und in gewisser Hinsicht ähneln wir uns alle. Es wird nicht leicht gewesen sein, aber wir sind hart im
     Nehmen. Otelo wird dich über die Vergangenheit ins Bild gesetzt haben. Du kannst dich auf ihn verlassen, aber er wird alt,
     und seine Wachsamkeit lässt nach. Er ist zu gutgläubig, und er verzeiht. Das ist ein Nachteil, und gleichzeitig hat er mir
     das voraus. Lerne von ihm, denn diese Quinta ist ein Platz, an dem es sich zu leben lohnt. Sie hat mich für alles entschädigt,
     und da ich mir nicht vorstellen kann, dass du in die Fußstapfen meines Bruders trittst, da ich dich weder als kontrollbesessen
     noch als geldgierig erlebt habe, wird die Quinta do Amanhecer ein guter Ort für dich sein. Seine Schwingungen sind positiv,
     hier herrschte bis zu

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