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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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anderen Ort befinden. Und – wieso sollte ein deutscher
     Architekt auch Fernando Pessoa kennen. Ich kenne keinen berühmten Architekten.«
    Den Rest des Weges bis zu Otelos Haus sprach sie über Fernando Pessoa und seine Heteronyme. Das waren die von Pessoa geschaffenen
     Persönlichkeiten, die ihm als Pseudoautoren seiner Werke dienten. Aber am besten gefiel ihr die Erzählung ›Ein anarchistischer
     Bankier‹.
    »Ein wenig hat sie mich an deinen Onkel erinnert, auch du hast was davon – ein anarchistischer Winzer . . .«
    Nicolas wartete vor Otelos Haus, und während Rita von einem Nachbarn zum nächsten ging und nach dem Verbleib des
provadors
fragte, begutachtete Nicolas den Garten. Der war gewässert, und auch um den Gemüsegarten kümmerte sich jemand. Also war das
     Haus nicht wirklich verlassen. In diesem Dorf musste es jemanden geben, der Otelos Adresse kannte. Sie müssten diesen Nachbarn
     finden und ihn bitten, Otelo auszurichten, dass er dringend gebraucht wurde. Ohne ihn würde Nicolas das nicht durchstehen,
     vor allem nicht die Lese. Das Weingut kurz davor zurückzugeben, wäre feige. Er hatte nicht genügend Zeit, alles über die Ernte
     zu lernen, Arbeiter zu finden, falls sie denn mit ihm arbeiteten und nicht gegen ihn, die Regeln des Portweininstituts zu
     befolgen – nein, das war zu viel. Je mehr er lernte, desto klarer wurde ihm, dass er es allein niemals schaffen würde.
    Um Kraft geht es nicht, dachte er, als er die heruntergelassenen Jalousien betrachtete, davon habe ich genug. Es |212| hat keine Grenze gegeben, ich habe mir nie etwas Unmögliches gewünscht. Die Zeit auf der Quinta war eine Zeit der Konfrontation
     mit fremden Menschen. Dabei lernte man sich selbst kennen. Vielleicht war das das Ziel der Reise, vielleicht hatte Friedrich
     genau das beabsichtigt.
    Nicolas ging zur Straße zurück und wartete auf Rita. Heute Abend würde er sich in der Bibliothek einschließen und diesen Pessoa
     auswendig lernen, schon ihretwegen.
    Ihr Gesicht signalisierte bereits von Weitem einen Misserfolg. »Merkwürdig, keiner sagt was. Niemand will was von Senhor Otelo
     wissen, aber ich glaube, so gut kenne ich die Leute inzwischen, dass zumindest eine Nachbarin mehr weiß. Sie hat den Zettel
     mit deinem Namen und der Telefonnummer entgegengenommen. Wenn sie keinen Kontakt mit ihm hätte, hätte sie das nicht getan.«
    Das leuchtete Nicolas ein.
    »Was bringt einen Menschen dazu, so schnell von der Bildfläche zu verschwinden und dann dafür zu sorgen, dass keiner weiß,
     wo man ist?«, meinte Rita nachdenklich.
    Angst war das Erste, das Nicolas einfiel, aber das hatte wohl mehr mit ihm zu tun. »Wir können nur warten, bis er sich meldet«,
     meinte er frustriert. »Also fahren wir zurück. Bleibst du zum Essen? Ich würde mich riesig freuen.«
    »Das würde ich gern, aber ich muss zurück nach Porto, und nach Dona Firminas Essen braucht man einen Mittagsschlaf.«
     
    Nicolas suchte im Haus nach einer Liege oder nach Decken, um sie auf der Terrasse auszubreiten und sich daraufzulegen. Im
     Schlafzimmerschrank fand er eine geeignete Unterlage.
    »Mit Romanistik und Literaturwissenschaft kann man viel anfangen, aber kein Geld verdienen«, hatte Rita auf der |213| Rückfahrt gemeint. An der Universität habe sie nicht bleiben wollen, auf Dauer sei Theorie nichts für sie, also war sie wieder
     im Reisebüro gelandet. Heute erfand sie Reisen, dachte sich Touren aus, »wie die zu deinem Onkel – beziehungsweise jetzt zu
     dir«, hatte sie sich verbessert.
    Als er steif und fröstelnd erwachte, standen die Sterne kalt funkelnd über ihm, Perúss lag in der Nähe und war sofort wach.
     Mühsam stemmte Nicolas sich hoch – und hörte einen Wagen kommen. Es war nicht Dona Madalenas Coupé, aber der Fahrer nahm den
     Weg zu ihrem Haus. Es war kurz vor Mitternacht. Wer kam um diese Zeit? Dann erloschen die Scheinwerfer, der Motor erstarb,
     die Stille kehrte zurück.
     
    Dona Madalena konnte ihm in Bezug auf die verschwundenen Arbeiter nicht weiterhelfen. Die Tatsache, dass fremde Arbeiter das
     Ausbrechen und Einflechten besorgten, rief bei ihr genauso viel Unverständnis hervor.
    »Ich kann es mir nur so erklären, dass Gonçalves eine Fremdfirma damit betraut hat. Wahrscheinlich ist es billiger, wir müssen
     rechnen. Du musst uns verstehen, Nicolau, niemand weiß, wie es nach Fredericos Tod weitergeht. Keiner weiß, ob du, und das
     sage ich dir im Vertrauen, da spreche ich mit niemandem sonst

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