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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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hat hineingeschaut, meinte aber, dass sie mit einer Herrenuhr nichts anfangen könne.« Dima lachte. Sie wanderten die Wege ab. Das konnte man stundenlang machen, es war schon später Nachmittag, und die Verkäufer würden bald anfangen, ihr Gerümpel wieder einzupacken. Es war ein Fön, der Jegors Aufmerksamkeit erregte. »Wozu brauchst denn du einen Fön?«, schnaubte Dima, und Jegor erklärte ihm, dass seine Freundin keinen hatte, worauf Dima meinte, sie solle sich halt selber einen kaufen. Und Jegor fuhr damit fort, dass sein Mädchen doch noch studierte und ihr ganzes Geld dafür da war, die Professoren zu schmieren, sonst bekommt heutzutage niemand gute Noten. Dima hockte sich neben Jegor, der immer noch den Fön begutachtete, zog aus dem Papierstapel, der da lag, einen Zettel mit schönen, geschwungenen Ornamenten am Rand: »Da, da hätte sie ihr Diplom, Irina Sergejevna. Physik, Chemie, Medizin. Falschen Ausweis besorg ich deinem Mädchen selber.« Sie sahen sich um, wo der Verkäufer von Fön und Diplom zu finden wäre, konnten jedoch niemanden sehen. So ein Dummkopf, dachte Jegor, hatte sogar einen Computer unbeaufsichtigt liegen lassen, aber vermutlich funktionierte der gar nicht. »Gehen wir eben inzwischen weiter«, sagte Dima, sie würden auf dem Weg zum Auto hier später noch einmal vorbeikommen. »Dass du überhaupt eine Freundin hast. Aber gut, wir wissen ja, betrunkene Weiber sind nicht Herr ihrer Fut.« »Sie trinkt nicht«, murmelte Jegor. Den ganzen Nachmittag wanderten sie noch an den alten Besitztümern vorbei und gingen schließlich in die Bar Märchen, wo Dima Jegor endlich erklären wollte, was sie am Abend vorhätten. Jegor hoffte nämlich inständig, dass es nicht wieder darum ging, dass Dima sich besaufen wollte und Jegor einfach anwesend sein sollte. »Wir haben eine Sache zu erledigen«, sagte Dima, nippte an seinem Bier, fädelte in den Griff des Bierkrugs drei Finger, balancierte ihn mit Daumen und Zeigefinger aus – zwischen zwei Fingern hatte er sich ein D tätowiert, eine alte Mutprobe, er war bei der Armee gewesen. »Doch wohl keine Sache wie die letzte Sache?« Jegor hob fragend die Augenbrauen. Wenn er daran dachte, wurde ihm übel und das Bier in seiner Hand war warm und auch nicht besser als Badewasser. Doch Dima schüttelte den Kopf, womit es Jegor schon beinahe gleich war, denn so schlimm konnte es dann kaum sein.
    Als sie zum Auto zurückgingen, streichelte Jegor noch die letzten paar Hunde, die von der wöchentlichen Haustierausstellung noch hier waren, in den Kofferräumen ihrer Herrchen lagen und in der Hitze vermutlich schon den halben Tag darauf warteten, endlich wieder nach Hause zu dürfen mit ihren Welpen. Die anderen Verkäufer hatten längste die Trottoirs geräumt, nur die Decke mit dem Fön und dem Diplom lag noch auf den Pflastersteinen. »Was für ein Idiot lässt sein ganzes Zeug da liegen?«, fragte Dima. Er blickte nach links und rechts. Die Häuser warfen Schatten, die Sonne hatte sich orange leuchtend hinter ein paar Wolken gedrängt. Niemand war zu sehen, er schlug die Ecken der Decke zusammen und griff sie mit allem Inhalt wie einen Sack, nur Gončarovs Roman »Oblomov« ließ er zu Boden fallen, und ein Blatt, auf dem sich die Überschrift »Lenin Bog, Bandera Loch« fand, ohne dass es einen weiteren Text dazu gäbe, zog er, weil er es zufällig gesehen hatte, aus dem Stapel und ließ es ebenfalls auf den Asphalt segeln. Dima hatte niemals Gončarov gelesen, und auch wenn er nicht viel von untätigen Aristokraten hielt, hielt er noch weniger von Schriften, die Lenin als Gott und Bandera als impertinenten Naivling bezeichneten. Den Computer ließen sie beide liegen – was hier an Elektronik landete, musste ohnehin zu alt sein, um sich verkaufen zu lassen. Dima stampfte mit festen Schritten voraus, während Jegor »Oblomov« und den ungeschriebenen Essay an sich nahm, beides hinten in den Hosenbund steckte. »Davaj. Wir fahren an den Stadtrand«, rief Dima und Jegor folgte. Dima warf die Beute auf den Rücksitz. »Den Fön für dein Mädchen kannst du später heraussuchen«, das Buch drückte Jegor im Rücken, als er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Das Diplom, dachte er, und das andere Gerümpel würde Dima gewiss auf anderen Märkten gewinnträchtig verschachern. Als sie das Auto das nächste Mal abstellten, war es bereits dunkel.
    »Davaj! Komm schon! Komm her, mach eine Räuberleiter.« Dima war noch nie geduldig mit Jegor gewesen, auf ein

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