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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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irgendein Jude gemacht, dass du den Lastwagen nicht kriegst?« Und Dima schimpfte weiter: »Und wenn sie nicht in Cafés sitzen, dann schleichen sie in irgendwelchen Büros herum und sagen irgendwelchen Leuten, dass sie ihre Laster nicht verkaufen sollen.« Er zündete sich wieder mit der vorhergehenden Zigarette eine neue an, »und dann komm ich in dieses Büro und der Chef sagt mir, dass wir ein andermal drüber reden, über den Laster, das heißt also: nie.« »Also zünden wir deinen eigenen Laster an?« Jegor schüttelte abermals den Kopf. Dima stieß einen genervten Laut aus, das Geräusch kam eher aus der Nase als aus dem Mund: »Hörst du mir nicht zu? Der verkauft ihn nicht. Und daran ist der kleine Jud schuld. In L’vov hätt’s so was nicht gegeben. Da hätt der Chef, den ich hatte, jedem, der bei der Tür hereinkommt und kein Ukrainisch redet, gleich eine auf’s Maul gegeben.« »Zufall vielleicht. Dass der gerade vor dir im Büro war«, entgegnete Jegor. Da fuhr Dima ihn an: »Zufall gibt’s gar nicht.« Jegor seufzte, wenn Dima nicht an Zufälle glaubte, glaubte er eben nicht an Zufälle. Er drehte sich um, lehnte mit dem Rücken am hölzernen Geländer, stützte sich mit den Unterarmen ab. »Zufall gibt’s nicht«, murrte er. »Aber gäbe es keine Zufälle, hätten wir kein Wort dafür.« Jegor hielt es für das überzeugendste Argument, das er je gebraucht hatte. Dima reagierte nicht gleich, er rauchte ruhig weiter, legte den Kopf schief – Jegor hatte schon Angst, er könnte sich mit der Zigarette versehentlich die Haare ankokeln, denn er hielt sie so nah an seinem Gesicht –, sah ihn an und meinte dann langsam, aber in einem trotzigen Ton: »Aber wir haben auch ein Wort für«, hier folgte eine Pause, er neigte den Kopf noch ein bisschen mehr, »Nächstenliebe.« Er sagte: »Wir haben auch ein Wort für Nächstenliebe.« Was hätte Jegor darauf auch erwidern sollen, wenngleich: Ganz überzeugt war er nicht. »Komm, nimm den Benzinkanister. Ich will nicht die ganze Nacht hier herumstehen. Und es wäre besser, das Ding abzufackeln, bevor es zu regnen anfängt. Da wär ich gern schon daheim. Sonst kann ich meine Lederjacke wegschmeißen.« Er strich mit der freien linken Hand über den rechten Ärmel seiner Jacke. Über ihnen wölbten sich schon Wolken, die der Discolaser unruhig abtastete, von denen Jegor nicht wusste, ob sie schwarz von der Nacht oder schwarz wegen eines drohenden Gewitters waren. Nts-nts-nts schwebte durch die Luft. Dima drehte sich wieder und beugte sich über das Geländer, wie man sich über die Reling eines Schiffes beugen würde, hier war nur das düstere Meer aus Gras, Steinen und Autos unter ihnen, er spuckte hinunter: »Staubtrocken ist es, er wird wunderschön lodern.« Er lehnte sich weiter nach vor, so weit, dass Jegor ihn durch die Lederjacke hindurch am Gürtel packte, um ihn zurückzureißen, er hatte geglaubt, Dima fiele. »Du machst meine Jacke hin«, maulte Dima, ohrfeigte ihn wieder: »Und jetzt mach weiter.«
    Jegor hob den Benzinkanister an und schraubte den kleinen Deckel ab, setzte den Kanister auf dem Geländer auf, stellte ihn wieder auf den Boden. »Was ist? Kipp das Zeug hinunter. Ohne Benzin wird es schwer zu brennen anfangen.« Dima zündete noch eine Zigarette an, wieder mit der letzten, als er die Zigaretten in die Tasche steckte, zog er die Zündhölzer heraus. Jegor antwortete nicht. »Ach komm!« Dima rollte mit den Augen, er sah es nur, weil sie das spärliche Licht reflektierten. »Jeg! Aber jetzt sind wir sowieso schon hier. Das Benzin auch, die Zündhölzer genauso. Wenn du jetzt weggehst und mich das alleine machen lässt, bist du feig.« Damit traf er ihn, wo er ihn treffen konnte. Da hob Jegor den Kanister wieder hoch, schraubte ihn wieder auf. Er erhoffte von ihm nicht stärkere Zuneigung, seiner Zuneigung war er sich, trotz seines Umgangs mit ihm, oder vielleicht gerade wegen dieses Umgangs, sicher. Er wollte seine Bewunderung. So schlich Jegor langsam, das Rasenmäherbenzin von der Brücke kippend, das Geländer entlang, verteilte die Flüssigkeit sorgfältig auf der Plane des Lasters, der Geruch mischte sich mit dem Abgasgeruch und dem Geruch nach Autoreifen, der oben auf der Brücke die Luft erfüllte, es genügte gerade so für die gesamte Breite der Abdeckplane, aber Dima meinte, es reiche wohl, es gehe ja nur darum, dass es nicht gleich am Anfang ausgehe. Sie würden nicht das ganze nächtliche Meer unter ihnen zum Brennen

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