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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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kannte eben andere Leute. Leute, die Jegor gar nicht kennen wollte.
    Dima grinste und zündete mit der ersten Zigarette eine weitere an.
    Jegor rümpfte die Nase: »Du rauchst zu viel. Weißt du, was du da alles kriegst davon?« »Ach, hatte ich ja ganz vergessen«, nuschelte Dima aus dem Mundwinkel heraus, die Zigarette nahm er nicht aus dem Mund, weil er beide Hände benötigte, um die Zigarettenpackung wieder in der Jackentasche zu verstauen. Dann grinste er spöttisch, auch nur mit dem halben Mund, und sagte ernsthaft: »Mein Feuerzeug ist aus, und die Zündhölzer brauchen wir noch. Wer weiß, wie viele wir brauchen.« »Sind ja eh deine Eier, die sie dir abschneiden, wenn du vom Rauchen überall Krebs hast«, warf Jegor ihm hin, auch wenn er wusste, dass die Eier nicht das Erste waren. Dima drehte sich um, ohrfeigte den kleinen Bruder. »Was fällt dir ein!« Jegor wusste, wie er Dima verärgern konnte, und er wusste, dass es nichts bringen würde, von einer halben Lunge zu reden. Jegor rieb sich die Wange. Dima war sein Penis wichtiger, an eingeschränkte Atmung verschwendete er keinen Gedanken. Er saugte an der Zigarette. Vielleicht hätte er ihn in diesem Moment gerne nach Hause geschickt, dachte Jegor, aber dann hätte Dima ohne ihn weitergehen müssen. Überhaupt konnte Jegor nicht ganz verstehen, warum Dima ihn immer dabeihaben wollte. Auch wenn er mit Freunden trinken ging, denn Jegor trank nicht. Dima und seine Freunde tranken, und er trank Tee. Nur einmal hatte er aus Versehen einen großen Schluck Vodka genommen, danach war ihm übel gewesen. Es war in einer Bar, in der Vodka in Teekannen serviert wurde. So viel Freude wie die anderen am Trinken hatten, wie sie darüber lachten, wann und wo sie getrunken hatten, war Jegor fremd, wie sie zu lachen begannen, wenn jemand mit dem Finger leicht gegen den eigenen Hals schnipste, um zu signalisieren: Ich war betrunken. Manchmal glaubte er, dass es Dima am Leben hielt, denn Tote konnten sich nicht betrinken.
    »Wir sind da.« Dima blieb stehen, stieg über die Leitplanke und beugte sich über das Geländer der Brücke. Unter ihr und daneben parkten im freien Gelände Autos. Ein Abstellplatz, eine Zwischenlagerung manchmal. »Das ist der Laster?« Jegor hatte den Kanister auf den Boden gestellt und blickte neben Dima hinunter. Die Autos kamen Jegor nun noch viel lauter vor, da sie stehen geblieben waren, leise, wie sie sich annäherten und entfernten und mit einem stürzenden Geräusch, unmittelbar wenn sie an ihnen vorüberfuhren. Ein Streichholzschachtelwerk sollte es werden. »Wer bezahlt uns eigentlich dafür?«, fragte Jegor, doch Dima schüttelte den Kopf: »Niemand.« »Warum machen wir’s dann?« Jegor waren derlei Aktionen unbezahlt noch unbehaglicher. »Weil ich es sage«, antwortete Dima und damit hätte das Thema vom Tisch sein sollen. »Ich weiß immer noch nicht genau, wozu wir das machen. Also, wem gehört der Laster eigentlich? Und was ist drinnen?«, er hatte die Unterarme am Geländer abgestützt. »Du bist so ein dummer Ziegenbock, aber echt. Ist doch scheißegal, was drin ist.« Dima zog die Augenbrauen eng zusammen und sah Jegor an, er betrachtete weiterhin den Laster. »Ich sag dir, wir hätten im Westen bleiben sollen, in der L’vover-Gegend muss man sich nicht so herumärgern. Da gibt’s auch weniger Juden. Und weniger Russen.« »Was hat denn das jetzt wieder mit dem Laster zu tun?«, fragte Jegor. »Na«, grunzte Dima, »so ein kleiner russischer Jud ist schuld, dass der Besitzer von der Kiste mir den Laster nicht verkauft hat. Ich sag dir, überall sind die. Ich meine: Als wir hier in die Wohnung gezogen sind, hat der Jud, der vorher dort gewohnt hat, auch alles mitgenommen, sogar die Steckdosen.« Jegor schüttelte wieder den Kopf: »Woher willst du wissen, dass der Jude war?« »Und wenn nicht, ein Jud war er trotzdem.« »Hm«, murmelte Jegor, »und die Kakerlaken sind immer von den Nachbarn.« »Und dieser jüdische Internetautor erst. Geld haben die ja wie Heu. Und sitzen drauf, wie der Hund am Heu. Nur der sitzt nebenher auch noch den ganzen Tag im Café«, schimpfte Dima weiter. Woher Dima das wisse, fragte ihn Jegor, dass der den ganzen Tag im Café sitze, und Dima antwortete: »Weil er die ganze Zeit postet, dass er dort Kaffee trinkt, da zu Mittag isst, dort Kaffee trinkt und da zu Abend isst.« »Warum liest du’s denn, wenn’s dich dann ja doch nur aufregt?« Jegor verkniff sich ein Lachen. »Und was genau hat

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