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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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in der Jekaterinenstraße geröstete Sonnenblumenkerne verkaufte, weil Šarik es liebte, dort vorbeizugehen – stets schenkte die Frau dem Äffchen ein paar Kerne. Doch sie hatte Šarik nicht gesehen, drückte aber Vadim ein Tütchen Kerne in die Hand. Auch in der Bunin-Straße hatte der Pirožkí-Verkäufer keine Spur von Šarik gesehen, doch zwei Pirožkí schenkte er dem »armen Vadim«, wie er sagte; einen für Vadim, einen für Šarik. Auch als er nochmals zum Markt zurückkehrte, um bei der Apfelverkäuferin – die sich wunderte, Vadim so schnell wiederzusehen – nach Šarik zu fragen, hatte er kein Glück. Einen Apfel steckte sie ihm in die Tasche zu den Pirožkí und den Sonnenblumenkernen und lächelte: »Dann musst du ihn nicht suchen, dann findet er dich.« Natürlich, dachte er, würde Šarik schneller bei ihm sein, hatte er zu essen. Vadim wanderte weiter zum Strand, immer noch überzeugt, Šarik müsse sich dort aufhalten, wo er sich gerne aufhielt. Jeden Strand, den Šarik kannte, suchte Vadim ab, den halben Strandsaum, der die Stadt umgab, war er abgegangen. Als es schon längst dunkel war, fand er zwar nicht den Affen, aber ein umgedrehtes Boot im Sand, unter das er sich zum Schlafen legte, denn er sah keinen Sinn darin, nach Hause zu gehen, wenn er doch frühmorgens sogleich weitersuchen wollte. Nachts wurde es kalt, er schlang ein Segeltuch um seinen Körper. Vielleicht hatte Šarik schon wieder einen Hund geärgert, wie so oft, wenn er sie an den Haarbüscheln zupfte, die ihnen aus den Ohren wuchsen, und einer hatte ihn totgebissen. Vadim schüttelte sich, schüttelte den Gedanken ab, um schlafen zu können. Unter dem Boot liegend träumte er von Šarik, wie er in seinem Korb saß, die zweite Korbhälfte, den Deckel, schützend über sich, Pirožkí, Sonnenblumenkerne und Apfelstückchen essend, und wenn Šarik aus dem Korb hinauslinste: Um ihn glitzerndes Meer, auf dem der Korb schaukelte und ihn wiegte, bis ihn am frühen, frischen Morgen eine Prinzessin fand. Da wachte Vadim erschrocken auf, denn dass Šarik bei einem anderen Menschen bleiben würde, wollte er sich nicht vorstellen. Ihm schien schon, dass die Nahrungsmittel, die ihm für Šarik mitgegeben worden waren, einen fauligen Geruch verströmten, obwohl das nach so kurzer Zeit gar nicht möglich war und sie optisch keinen Eindruck von Fäulnis erweckten. Eine Weile lag er noch, verborgen unter dem Boot, warf aber noch bevor es hell wurde das Boot um, sprang auf und kehrte, schnell, keuchend ins Stadtzentrum zurück. Er hatte begriffen, dass Šarik nicht mit dem Korb davongelaufen war, da Šarik den Korb nicht trüge wie der Korb Šarik. Er jammerte in einem Kopierladen dem Mitarbeiter über Šariks Verschwinden vor, bis dieser ihm half, ein Flugblatt zu entwerfen, mit einer Beschreibung Šariks und der Nummer des Kopierladens. Hundert Kopien, mehr konnte der Mitarbeiter Vadim nicht geben, aber er half ihm, sie aufzuhängen. Doch bald ging er in dem Laden nicht mehr ans Telefon, hatte er doch auf das Flugblatt geschrieben: »Der Affe wurde wahrscheinlich in einem Weidenkorb ausgesetzt.« Und so riefen den ganzen Tag lang Leute an, um zu fragen, wie man »wahrscheinlich« einen Affen aussetzen konnte und dann wiederhaben wollte. Vadim würde einfach nach Hause gehen, aufgeben, sich eine neue Tätigkeit suchen in den nächsten Tagen. Flugblätter auf der Deribasovskaja für Geschäfte verteilen vielleicht, um jeden, der ein Zettelchen nahm, nochmals nach Šarik zu fragen. Auf dem Nachhauseweg glaubte er, dass er vielleicht Šariks kleinen Leichnam gefunden hätte, ein Quartal von seiner Wohnung entfernt. Aber es war nur ein Katzenkadaver mit geschundenem Fell gewesen. Er würde sich bemühen müssen, nicht an Šarik zu denken, wenn er alleine auf seinem Bett saß. Als er vor der Tür stand und in der Hosentasche nach seinem Schlüssel suchte, sich wünschte, dass die Nacht besser würde als die letzten beiden Tage, merkte er, dass die Tür unversperrt war und eines der Verandafenster eingedrückt.

X
    Здесь свои негодяи и свои герои,
И обычные люди – и их большинство.
Я люблю их всех. Нет! Ну, скажем так, почти всех.
    Зоопарк
    Als er die Wohnung verlassen hatte, hatte er sich noch davor gefürchtet, seinen Mantel zu vergessen, ein ihm so wesentlicher, jedoch irrer Gedanke, beugte doch die Besorgnis üblicherweise der Gefahr schon vor.

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