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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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verschont hatte. So erstaunt sie auch gewesen sein mag, so stemmte sie doch ihre Zehen gegen den staubigen braunen Erdfleck, hob ihren Körper hoch. Die Seile, die durch den Verlust ihres Gewichts an Spannung verloren hatten, zog sie reißend auseinander, den Kopf zurückwerfend, sodass sie hintenüber stürzte und im Gras lag. Ihre Mutter traf Irina wieder nach der Vorstellung, als sie ein Plakat bei den Zirkusinvaliden kaufte, sie hielt Ljenka an der Hand, deren Hände waren bereits blutschorfig. Zum Vorwurf hielt ihre Mutter sie Irina hin, fest das Handgelenk der Schwester umklammernd. Der Tag hatte bereits geendet, als Taras Irina versichert hatte, dass ihm so leicht sei, neben ihr, dass sie so leicht stolz auf ihn sei, obwohl sie sonst, so behauptete er, nur Puppen und Luftballons kannte. Bis heute gab sie ihm nicht recht. Er wusste, dass die Mutter, wenn Irina nicht mit ihr nach Hause ginge, sie spätestens um zehn erwartete. Sagte, er werde Zuckerwatte kaufen. Da wäre Irina gern zum Morgen übergegangen, ohne den Abend alleine reif werden lassen zu müssen. Die Mutter, die das Versagen des Bären gesehen hatte, sagte später zu Irina, er habe sich schon so langsam bewegt, gewiss sei er krank gewesen, oder einfach arbeitsscheu, ein arbeitsscheues Tier, das sagte sie.
    Die Messe hatte geendet. Es war kühl gewesen in der Kirche und sie hatte es kaum bemerkt. Irina zog das straffe Tuch vom Kopf, legte es der Babuška in den Schoß. Als sie vor die Tür trat, fiel ihr ein gefrorenes Fischlein vor die Füße, das ein Wolganebel in die Wolken getragen haben und der Himmel wieder herausgestürzt haben musste. Irina glaubte gar einen Moment, es läge lebendig zitternd am Asphalt. Anatols Tod hatte im Wasser gelegen, in Badewannen und nassen Gräbern. In Strom- statt in Meereswellen. Du hast vielleicht Herzen gebrochen, Taras, ich zerbreche Menschen. Ihre Vermieterin führte sie noch zu Lenins Geburtshaus, danach, entschied sie, würde sie alleine in ein Café gehen.

XII
    В тот день, когда ты решишь, что жизнь была напрасна,
Когда осыплются краски с картин на твоей стене,
Когда твои друзья уйдут, чтоб никогда не вернуться,
Может быть, в этот день, ты зайдешь ко мне.
    Зоопарк
    Er machte kehrt und rannte, ohne zu schreien, worauf er später noch stolz sein würde, er rannte, blickte noch ein-, zweimal zurück, in der Hoffnung, dass er verschwunden sei, doch jedes Mal, sobald er den Kopf wandte, stand er immer noch da. Ein vom Lauf verwackeltes Bild. Er rannte, obwohl es sich um acht Quartale handelte, den gesamten Weg nach Hause. Er zitterte, als er klappernd den Schlüssel ins Schloss führte, ob noch vor Furcht – er sah sich im Flur seines Wohnhauses um, doch es war fast dunkel, die Neonlampe tat ihren Dienst nur so weit, dass man sehen konnte, dass sie noch da war, doch das Gespenst war ihm nicht gefolgt, hoffte er zumindest – oder ob von der Anstrengung seines Laufes wusste er selbst nicht. Immer noch zitternd betätigte er den Lichtschalter, drückte die Tür hinter sich zu und schloss ab. Sah sich vorsichtig in der Wohnung um, nicht, dass der Geist in einem der Zimmer säße oder gleich hinter der nächsten Tür vorträte. Kirill, du Idiot, sagte er sich. Was musst du nur getan haben, dass dir so etwas geschieht? Er öffnete die Kühlschranktür, schloss sie wieder. Er hätte auf dem Nachhauseweg einkaufen müssen. Er atmete noch immer schwer. Aber nein, nach draußen gehen würde er nicht mehr. Er griff nach dem Terminkalender, blätterte, blätterte, es war erst diese Woche gewesen. »Anatol Grigorjevič Ivanov«, las er flüsternd vor. Daneben war das Foto eingeklebt, das man ihm gegeben hatte, damit er wüsste, wie er lebendig ausgesehen hatte. Er sah sich in seiner Küche um, lauschte, es war still. Er hatte Angst, dass sein Flüstern das Gespenst hergelockt haben konnte, wie die Brotkrümel unter seinem Diwan die Kakerlaken. Wieder ging Kirill zum Kühlschrank, lehnte sich hinein, um aus dem großen Gerät die Vodkaflasche zu angeln, holte sich ein Glas, schenkte ein, roch daran.
    Er hatte sich die Schürze umgebunden und neue Gummihandschuhe übergestreift, nach der Sprühpistole gegriffen, um die Leiche zu säubern. So weit wie immer. Wieder roch er am Vodka. Er hatte den Unterkiefer fixiert, den Rachen mit Watte gefüllt und den Mund

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