Der Prediger von Fjällbacka
begonnen. »Was hat er gesagt?« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern.
»Ich will Sie nicht anlügen. Es hat ihn schockiert. Und er fragt sich natürlich auch, wer sein richtiger Vater ist.«
Das Schweigen um den Tisch wurde undurchdringlich, aber Gösta und Patrik warteten geduldig, bis sie bereit sein würde zu reden. Nach einem Weilchen kam die Antwort, noch immer als Flüstern: »Es ist Johannes.« Ihre Stimme wurde stärker. »Johannes ist Jacobs Vater.«
Es schien sie zu verwundern, daß sie diesen Satz laut aussprechen konnte, ohne daß ein Blitz vom Himmel sie auf der Stelle tötete. Das Geheimnis mußte mit jedem weiteren Jahr schwerer zu ertragen gewesen sein, und jetzt wirkte es fast, als sei sie erleichtert, daß ihr diese Worte über die Lippen kamen. Sie fuhr in raschem Tempo fort: »Wir hatten eine kurze Affäre. Ich konnte ihm nicht widerstehen. Er war wie eine Naturkraft, die einfach kam und nahm, was sie haben wollte. Und Gabriel war so - ja, anders.« Laine zögerte bei der Wortwahl, aber Patrik und Gösta konnten ohne Mühe ergänzen, was sie sagen wollte.
»Gabriel und ich hatten bereits eine Zeitlang versucht, ein Kind zu bekommen, und als sich herausstellte, daß ich schwanger war, wurde er überglücklich. Ich wußte, daß es von beiden sein konnte, aber trotz der Komplikationen, die das mit sich bringen würde, wünschte ich mir innig, daß es von Johannes war. Ein Sohn von ihm konnte einfach - wunderbar werden! Johannes war so lebendig gewesen, so schön, so - vibrierend.«
Ein Leuchten zeigte sich in ihren Augen, wodurch sich ihre Züge strafften und sie auf einen Schlag zehn Jahre jünger wirkte. Es bestand kein Zweifel, daß sie in Johannes verliebt gewesen war. Selbst nach so vielen Jahren ließ sie der Gedanke an ihre Affäre erröten.
»Woher wußten Sie, daß das Kind von Johannes war und nicht von Gabriel?«
»Das wußte ich sofort, als ich es zu sehen bekam, in derselben Sekunde, als man es mir auf die Brust legte.«
»Und Johannes, wußte er, daß es sein Sohn war und nicht der von Gabriel?« erkundigte sich Patrik.
»O ja. Und er liebte ihn. Ich habe immer gewußt, daß ich für ihn nur ein Zeitvertreib gewesen bin, wie gern ich es auch anders gehabt hätte, aber was Jacob anging, war es anders. Wenn Gabriel auf Reisen war, schlich sich Johannes oft zu uns, um ihn zu sehen und mit ihm zu spielen. Bis Jacob zu groß geworden war und es hätte erzählen können, da mußte er damit aufhören«, sagte Laine traurig. Dann fuhr sie fort: »Es war ihm ein Greuel, zu sehen, daß der Bruder seinen Erstgeborenen aufzog, aber er war nicht bereit, das Leben, das er führte, aufzugeben. Und er war auch nicht bereit, Solveig aufzugeben«, bekannte Laine widerstrebend.
»Und wie war das Leben für Sie?« fragte Patrik mitfühlend. Sie zuckte die Schultern.
»Anfangs war es die Hölle. So nahe bei Johannes und Solveig zu wohnen, zu sehen, wie sie ihre Jungs bekamen, die Brüder von Jacob. Aber ich hatte ja meinen Sohn, und dann, viele Jahre später, bekam ich schließlich Linda. Und es mag unwahrscheinlich klingen, aber mit den Jahren habe ich Gabriel tatsächlich lieben gelernt. Nicht auf dieselbe Weise, wie ich Johannes geliebt habe, aber vielleicht auf eine realistischere Weise. Johannes war kein Mann, den man in großer Nähe lieben konnte, ohne unterzugehen. Meine Liebe zu Gabriel ist trister, aber es ist auch leichter, mit ihr zu leben«, sagte Laine.
»Hatten Sie keine Angst, daß es herauskommen könnte, damals, als Jacob krank geworden war?« fragte Patrik.
»Nein, da gab es andere Dinge, vor denen man mehr Angst hatte«, erwiderte Laine scharf. »Wenn Jacob gestorben wäre, hätte nichts mehr eine Bedeutung gehabt, zuallerletzt, wer sein Vater war.« Dann wurde ihre Stimme weicher. »Aber Johannes zeigte damals so große Besorgnis. Er war verzweifelt, daß Jacob krank war und er nichts tun konnte. Es war ihm ja nicht mal möglich, seine Angst in der Öffentlichkeit zu zeigen, und er konnte nicht an seiner Seite im Krankenhaus sitzen. Das war sehr schwer für ihn.« Sie verlor sich in der Vergangenheit, zwang sich aber zurück in die Gegenwart.
Gösta stand auf, um sich Kaffee nachzufüllen, und hob die Kanne mit einem fragenden Blick zu Patrik, der zustimmend nickte. Als er wieder Platz genommen hatte, erkundigte sich Gösta: »Hat wirklich keiner etwas geahnt oder gewußt? Haben Sie sich niemals jemandem anvertraut?«
Ein finsterer Ausdruck erschien auf Laines
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