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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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ertragen. Außerdem hatte da beim letzten Gespräch mit Lucas etwas in dessen Ton mitgeschwungen, das sie beunruhigt hatte. Trotz all der Mißhandlungen, denen er sie ausgesetzt hatte, war sein Auftreten doch immer so gewesen, als hätte er sich und die Situation voll unter Kontrolle. Jetzt war ihr zum erstenmal so etwas wie Panik in seiner Stimme aufgefallen, die Erkenntnis, daß Dinge geschehen konnten, die er nicht im Griff hatte. Über einen Bekannten war ihr das Gerücht zu Ohren gekommen, daß ihm bei der Arbeit so einiges aus den Händen glitt. Er war während einer internen Versammlung aufgebraust, hatte bei anderer Gelegenheit einen Kunden beleidigt und durchweg Risse in der Fassade sehen lassen. Das erschreckte sie. Das erschreckte sie ganz ungemein.
    Irgend etwas war komisch mit dem Schloß. Der Schlüssel ließ sich nicht umdrehen. Nachdem sie es ein Weilchen probiert hatte, kam sie hinter den Grund: Die Tür war nicht abgeschlossen. Sie war sich absolut sicher, sie vor einer Woche, als sie von zu Hause losgefahren war, abgeschlossen zu haben. Anna sagte den Kindern, sie sollten bleiben, wo sie waren, und dann öffnete sie vorsichtig die Tür. Die Luft blieb ihr weg. Ihre erste eigene Wohnung, auf die sie so stolz gewesen war, lag in Trümmern. Nicht ein Möbelstück war noch ganz. Alles war zerschlagen, und auf die Wände hatte jemand mit schwarzer Farbe ein Graffito gesprayt. »Hure« stand da mit großen Buchstaben an der Wohnzimmerwand, und sie schlug die Hand vor den Mund, während ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie brauchte nicht zu überlegen, wer ihr das angetan hatte. Was seit dem Gespräch mit Lucas in ihrem Hinterkopf gearbeitet hatte, war zur Gewißheit geworden. Jetzt lief bei ihm alles aus dem Ruder. Haß und Wut, die stets dicht unter der Oberfläche gelegen hatten, kamen nun ungehindert zum Vorschein.
    Anna wich ins Treppenhaus zurück. Sie nahm ihre beiden Kinder und preßte sie ganz fest an sich. Ihr erster Impuls war, Erica anzurufen. Dann sagte sie sich, daß sie die Sache selbst regeln mußte.
    Sie war so froh über ihr neues Leben gewesen. Hatte sich so stark gefühlt. Zum erstenmal war sie ganz sie selbst gewesen. Nicht nur Ericas kleine Schwester. Nicht Lucas’ Frau. Sondern sie selbst. Jetzt war alles zerstört.
    Sie wußte, was sie tun mußte. Die Katze hatte gewonnen. Für die Maus gab es nur noch einen Ort, wohin sie ihre Zuflucht nehmen konnte. Es war alles egal, wenn sie nur die Kinder nicht verlor.
    Aber eins wußte sie. Was ihre Person anging, gab sie auf. Er durfte mit ihr machen, was er wollte. Aber sollte er erneut eins der Kinder anrühren, würde sie ihn töten. Ohne zu zögern.
     
    Es war kein guter Tag gewesen. Gabriel hatte sich so aufgeregt über das, was er die Willkür der Polizisten nannte, daß er sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen hatte und sich weigerte herauszukommen. Linda war wieder zu den Pferden gegangen, und Laine selbst saß allein auf der Couch im Wohnzimmer und starrte die Wände an. Der Gedanke an Jacob, der beim Verhör auf dem Polizeirevier saß, ließ ihr vor Demütigung die Tränen in die Augen treten. Es war ihr Mutterinstinkt, ihn gegen alles Böse zu verteidigen, egal, ob er noch ein Kind war oder schon seit langem erwachsen, und obwohl sie wußte, daß sie dazu keine Möglichkeit hatte, war ihr, als hätte sie versagt. Eine Uhr tickte in der Stille, und das monotone Geräusch hatte sie fast in Trance versetzt. Deshalb fuhr sie heftig zusammen, als es an der Haustür pochte. Bebend ging sie öffnen. Inzwischen war es, als würde jedes Klopfen eine unangenehme Überraschung bringen. Daher zeigte sie auch keine größere Verwunderung, als Gösta sich vorstellte.
    »Und was wollen Sie jetzt?«
    Gösta wand sich verlegen. »Wir haben ein paar Fragen, bei denen Sie uns behilflich sein könnten. Auf dem Revier.« Er verstummte und schien eine Sturzflut von Protesten zu erwarten. Aber Laine nickte nur und folgte ihm auf die Treppe hinaus.
    »Wollen Sie Ihrem Mann nicht Bescheid sagen?« fragte Gösta erstaunt.
    »Nein«, erwiderte sie nur kurz, und er schaute sie forschend an. Eine Sekunde lang überlegte er, ob sie die Familie Hult vielleicht doch zu sehr unter Druck gesetzt hatten. Dann fiel ihm wieder ein, daß es irgendwo in deren verworrenen Familienverhältnissen einen Mörder und ein verschwundenes Mädchen gab. Die schwere Eichentür fiel hinter ihnen ins Schloß, und wie eine japanische Ehefrau folgte sie ihm mit ein paar

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