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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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neuem auf ihre Alben. Nach all den Gefühlsstürmen der vergangenen Tage war es schön, wieder sicher und geborgen inmitten der abgegriffenen Fotografien zu sitzen. Diese veränderten sich nie, wurden lediglich ein wenig blasser und vergilbten mit den Jahren.
    Sie schaute auf die Küchenuhr. Zwar kamen und gingen die Jungs, wie sie wollten, aber heute abend hatten sie versprochen, zum Essen nach Hause zu kommen. Robert wollte von »Kapten Falck« Pizza mitbringen, und sie fühlte, wie der Hunger in ihren Eingeweiden wühlte. Kurz darauf hörte sie Schritte auf dem Schotter vor der Tür und stand mühsam auf, um Gläser und Besteck aus dem Schrank zu holen. Teller waren nicht nötig. Sie aßen die Pizza direkt aus der Schachtel.
    »Wo ist Johan?« Robert stellte die Pizzas auf die Spüle und schaute sich suchend um.
    »Ich dachte, du weißt es. Ich habe ihn seit Stunden nicht gesehen«, sagte Solveig.
    »Er ist bestimmt im Schuppen, ich gehe ihn holen.«
    »Sag ihm, er soll sich beeilen, ich habe nicht vor, auf ihn zu warten«, rief ihm Solveig hinterher und begann gierig die Schachteln zu öffnen, um ihre Pizza zu suchen.
    »Johan?« Robert rief schon, bevor er beim Schuppen angekommen war, aber erhielt keine Antwort. Nun ja, das mußte nichts bedeuten. Manchmal war Johan, wenn er dort drinnen saß, förmlich taub und blind.
    »Johan?« Robert rief etwas lauter, aber hörte nur seine eigene Stimme in der Stille.
    Verärgert öffnete er die Tür zum Schuppen, bereit, den Bruder auszuschimpfen, weil der sich in seinen Tagträumen verlor. Aber das vergaß er sofort.
    »Johan! Verdammt!«
    Sein Bruder lag auf dem Boden, eine große rote Gloriole um den Kopf. Es dauerte eine Sekunde, bis Robert begriff, daß es Blut war. Johan rührte sich nicht.
    »Johan!« Seine Stimme wurde klagend, und ein Schluchzen stieg in ihm auf. Er sank neben dem Bruder auf die Knie und ließ die Hände unschlüssig über dessen mißhandelten Körper irren. Er wollte ihm helfen, aber wußte nicht, wie, und er hatte Angst, die Verletzungen noch schlimmer zu machen, wenn er ihn anfaßte. Ein Stöhnen ließ ihn handeln. Er stand mit blutbeschmierten Knien vom Boden auf und rannte zum Haus.
    »Mutter, Mutter!«
    Solveig öffnete die Tür und blinzelte ins Licht. Mund und Finger waren fettig, sie hatte offenbar zu essen begonnen. Jetzt war sie verärgert, weil sie gestört worden war.
    »Was ist das für ein verdammtes Theater?« Dann sah sie die Flecken an Roberts Kleidung. Sie wußte, daß es keine Malerfarbe war. »Was ist passiert? Ist was mit Johan?«
    Sie rannte zum Schuppen, so schnell es ihr unförmiger Körper zuließ, aber Robert hielt sie auf, bevor sie angekommen war.
    »Geh nicht rein. Er lebt, aber jemand hat ihn zu Brei geschlagen! Er ist übel dran, und wir müssen den Notarzt rufen!«
    »Wer …?« schluchzte Solveig und sackte wie eine Puppe in seinen Armen zusammen. Robert machte sich irritiert frei und zwang sie, auf eigenen Füßen zu stehen.
    »Das ist doch jetzt scheißegal. Erst müssen wir Hilfe für Johan holen! Geh jetzt rein und ruf an, dann kümmere ich mich um ihn. Und ruf auch im Ärztehaus an, der Krankenwagen muß aus Uddevalla kommen.«
    Er erteilte seine Befehle mit der Autorität eines Generals, und Solveig reagierte unmittelbar. Sie hastete zurück ins Haus, und in der Gewißheit, daß bald Hilfe unterwegs war, eilte Robert wieder zum Bruder hinein.
    Als Doktor Jacobsson kam, erwähnte keiner von ihnen die Umstände, unter denen sie sich am Vormittag getroffen hatten. Robert zog sich erleichtert ein paar Schritte zurück, dankbar dafür, daß jetzt jemand die Kontrolle übernahm, der wußte, was er tat. Nervös wartete er auf das Urteil.
    »Er lebt, aber er muß so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Der Krankenwagen ist unterwegs, soviel ich verstanden habe?«
    »Ja«, bestätigte Robert mit schwacher Stimme.
    »Geh und hol ihm eine Decke.«
    Robert war klug genug, um zu begreifen, daß es bei der Anweisung des Arztes mehr darum ging, ihm etwas zu tun zu geben, als daß Johan wirklich eine Decke benötigte, aber er war dankbar, einen konkreten Auftrag zu bekommen und gehorchte bereitwillig. Er mußte sich an Solveig vorbeidrängen, die zitternd in der Tür zum Schuppen stand und still vor sich hin weinte. Seine Kraft reichte nicht aus, sie zu trösten. Er war voll damit beschäftigt, sich selbst zusammenzuhalten, und sie mußte sehen, wie sie allein klarkam. In der Ferne waren Sirenen zu hören. Nie zuvor war

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