Der Prediger von Fjällbacka
hier eigentlich redeten, aber keiner wollte es direkt aussprechen. Martin fiel ein, daß Marita wohl noch nichts von Jacobs veränderten Familienverhältnissen wußte. Aber leider konnte er darauf keine Rücksicht nehmen. Sie mußten jetzt alle Fakten auf den Tisch bekommen und konnten sich nicht mit Wortspielereien aufhalten.
»Er war …«, Laine suchte nach dem passenden Wort, »… nachdenklich. Ich würde wohl sagen, er befand sich irgendwie in einem Schockzustand.«
Verwirrt blickte Marita zu Laine und dann zu den Polizisten.
»Wovon redet ihr? Warum sollte Jacob geschockt sein? Was haben Sie gestern eigentlich mit ihm gemacht? Mein Schwiegervater sagte doch, daß er nicht mehr unter Verdacht steht, warum also sollte er dann geschockt sein?«
Es zuckte leicht in Laines Gesicht als einziges Zeichen für die Gefühlsstürme, die in ihr tobten, und sie legte nur still ihre Hand auf Maritas.
»Meine Liebe, Jacob hat gestern eine aufwühlende Nachricht erhalten. Ich habe vor vielen, vielen Jahren etwas getan, was ich lange für mich behalten habe. Dank der Polizei«, sie warf Martin und Gösta einen giftigen Blick zu, »hat Jacob gestern davon Kenntnis bekommen. Ich wollte es ihm immer erzählen, aber die Jahre sind so schnell vergangen, und ich habe wohl auf die richtige Gelegenheit gewartet, vermute ich.«
»Die richtige Gelegenheit wofür?« fragte Marita.
»Um Jacob zu erzählen, daß Johannes, nicht Gabriel, sein Vater ist.«
Die ganze Zeit über, während sie sprach, verzog Gabriel das Gesicht und zuckte, als würde ihm jedes Wort einen Messerstich versetzen. Aber der geschockte Ausdruck war verschwunden. Seine Psyche hatte bereits damit angefangen, die Veränderung zu bearbeiten, und es war nicht mehr genauso schwer, sich die Sache anzuhören, wie beim erstenmal.
»Was sagst du da!« Marita schaute Laine und Gabriel mit aufgerissenen Augen an. Dann sackte sie zusammen. »O mein Gott, das muß ihn vernichtet haben.«
Laine fuhr zusammen, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte sie, »jetzt müssen wir vor allem Jacob finden, dann .«, sie zögerte, »dann können wir uns all das andere vornehmen.«
»Laine hat recht. Egal, was der Bluttest ergeben hat, so ist Jacob doch hier mein Sohn«, Gabriel legte sich die Hand aufs Herz, »und wir müssen ihn finden.«
»Wir werden ihn finden«, sagte Gösta. »Es ist vielleicht nicht besonders merkwürdig, wenn er wegbleiben und ein Weilchen über all das nachdenken wollte.«
Marita war dankbar über die väterliche Sicherheit, die von Gösta, wenn er es darauf anlegte, ausgehen konnte. Jetzt diente sie bestens dazu, die Unruhe der Anwesenden zu lindern, und Martin fuhr bedächtig mit seinen Fragen fort: »Er ist also gar nicht nach Hause gekommen?«
»Nein«, sagte Marita. »Laine hatte ja angerufen, als sie vom Revier losfuhren, also wußte ich, daß sie unterwegs waren. Als er dann nicht auftauchte, dachte ich, er ist bestimmt mit zu ihr gefahren und übernachtet dort. Das war zwar nicht besonders typisch für ihn, aber andererseits war er ja, und auch seine ganze Familie, in letzter Zeit einem solchen Druck ausgesetzt gewesen, daß ich dachte, er brauchte es vielleicht, bei seinen Eltern zu sein.«
Während sie den letzten Teil des Satzes sagte, warf sie einen verstohlenen Blick auf Gabriel, der ihr jedoch nur matt zulächelte. Es würde seine Zeit dauern, bis sie Ordnung in die Begriffe brachten.
»Wie haben Sie erfahren, was mit Johan passiert ist?« fragte Martin.
»Solveig hat am frühen Morgen angerufen.«
»Ich dachte, daß Sie mit ihr . verkracht sind?« sagte Martin vorsichtig.
»Ja, so könnte man es vielleicht bezeichnen. Aber Familie ist schließlich Familie, und wenn es wirklich gilt, dann .« Gabriel ließ die Worte ausklingen. »Linda ist jetzt dort. Es hat sich ja herausgestellt, daß Johan und sie einander näherstanden, als wir gewußt haben.« Ein bitteres kleines Lachen war von Gabriel zu hören.
»Sie wissen nicht mehr?« fragte Laine.
Gösta schüttelte den Kopf. »Nein, das letzte, was wir gehört haben, war, daß die Situation unverändert ist. Aber Patrik Hedström ist jetzt unterwegs nach Uddevalla, also müssen wir abwarten, was er in Erfahrung bringt. Aber sollte in irgendeiner Hinsicht etwas passieren, dann wird man es Ihnen sicher genauso schnell mitteilen wie uns. Linda ruft wohl gleich an, meine ich.«
Martin erhob sich. »Ja, dann denke ich, daß wir alle notwendigen
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