Der Prediger von Fjällbacka
zwischen Leben und Tod schwebte. Da Johan nicht selbst sagen konnte, wer es gewesen ist, hatte die Polizei noch keinen Verdacht. Sie hatten mit Solveig und Robert gesprochen, aber keiner von ihnen hatte jemanden in der Nähe des Hauses gesehen. Einen Moment lang hatte Patrik Jacob im Verdacht, aber das stellte sich rasch als Unsinn heraus. Der Überfall auf Johan war zur gleichen Zeit erfolgt, in der sie Jacob hier auf der Dienststelle hatten.
Patrik war sich nicht schlüssig, was er als nächstes tun sollte. Es gab zwei Aufgaben zu erledigen. Einerseits wollte er, daß jemand ins Krankenhaus nach Uddevalla fuhr und dort mit Solveig und Robert redete, um zu erfahren, ob sie nicht doch etwas wußten. Andererseits mußte er jemanden zum Gutshof schicken, wo Jacobs Familie wartete. Nach kurzem Zögern beschloß er, sich selbst um Uddevalla zu kümmern, während Martin und Gösta zum Gutshof fahren sollten. Aber im selben Augenblick, als er aufstand, um zu gehen, klingelte das Telefon erneut. Diesmal war es die Gerichtsmedizin.
Mit bebender Erwartung bereitete er sich auf das vor, was das Labor zu sagen hatte, vielleicht lieferte man ihnen ja in der nächsten Minute das noch fehlende Puzzlestück. Doch selbst in seiner wildesten Phantasie hätte er sich die Antwort nicht vorstellen können, die er jetzt erhielt.
Als Martin und Gösta zum Gutshof kamen, hatten sie eine lange Diskussion hinter sich über das, was Patrik erzählt hatte. Keiner von ihnen verstand es. Aber der Zeitdruck erlaubte es ihnen nicht, sich noch länger in dieser Unsicherheit zu verlieren. Das einzige, was sie jetzt tun konnten, war, den Kopf vorzustrecken und beharrlich weiterzukämpfen.
Vor der Treppe des Haupteingangs mußten sie über ein paar große Koffer steigen. Neugierig fragte sich Martin, wer hier wohl wegfahren wollte. Es schien mehr Gepäck zu sein, als Gabriel auf einer Geschäftsreise brauchen konnte, und außerdem wirkten die Gepäckstücke so, als gehörten sie einer Frau, also vermutete er, es handelte sich um Laine.
Diesmal wurden sie nicht ins Wohnzimmer gewiesen, sondern durch einen langen Korridor zu einer Küche am anderen Ende des Hauses geführt. Das war ein Raum, in dem sich Martin sofort wohl fühlte. Das Wohnzimmer war zwar schön, aber es wirkte irgendwie unpersönlich. In der Küche herrschte Behaglichkeit, und sie besaß eine ländliche Schlichtheit, die der Eleganz widersprach, die wie ein erstickender Film über dem ganzen Gebäude lag. Im Wohnzimmer hatte Martin sich wie ein Landei gefühlt, hier bekam er Lust, die Ärmel hochzukrempeln und in großen dampfenden Töpfen zu rühren.
An einem gewaltigen rustikalen Tisch saß Marita ganz hinten an der Wand eingeklemmt. Es sah aus, als suchte sie in einer überraschenden und erschreckenden Situation Geborgenheit. In einiger Entfernung hörte er Kinder toben, und als er den Hals reckte und aus dem Fenster in den Garten schaute, sah er Jacobs und Maritas Kinder auf der großen Rasenfläche beim Spiel umherrennen.
Alle nickten sich zur Begrüßung zu. Dann setzten sie sich zu Marita an den Tisch. Martin fand, daß die Stimmung eigentümlich war, aber er konnte nicht genau sagen, woran es lag. Gabriel und Laine hatten so weit voneinander Platz genommen, wie es nur ging, und er bemerkte, daß sie beide genauestens darauf achteten, sich nicht anzusehen. Er dachte an die Koffer vor der Tür. Dann verstand er, daß Laine ihrem Mann von ihrer Affäre mit Johannes erzählt haben mußte. Nicht verwunderlich, daß die Stimmung frostig erschien. Außerdem war das eine Erklärung für die Koffer vor der Tür. Das einzige, was Laine noch immer auf dem Hof hielt, war ihre gemeinsame Sorge wegen Jacobs Abwesenheit.
»Lassen Sie uns von vorn beginnen«, sagte Martin. »Wer von Ihnen hat Jacob zuletzt gesehen?«
Laine winkte leicht mit der Hand. »Das war ich.«
»Und wann ist das gewesen?« fuhr Gösta mit der Befragung fort.
»Gegen acht. Nachdem ich meinen Sohn bei Ihnen abgeholt hatte.« Mit dem Kopf hatte sie auf die Polizisten ihr gegenüber gewiesen.
»Und wo haben Sie ihn dann abgesetzt?« fragte Martin.
»Genau bei der Einfahrt zu Västergärden. Ich wollte ihn bis zur Tür fahren, aber er sagte, das sei nicht nötig. Es ist ein bißchen schwierig, dort zu wenden, und da es ja nur ein paar hundert Meter Fußweg waren, habe ich nicht darauf bestanden.«
»Und wie war seine Stimmung da?« fuhr Martin fort.
Er sah verstohlen zu Gabriel. Sie wußten alle, worüber sie
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