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Der Preis der Ewigkeit

Der Preis der Ewigkeit

Titel: Der Preis der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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gemeinsamen Leben. Dazu war ich nicht bereit und Milo hatte einen Vater verdient. Ich selbst war ohne Vater aufgewachsen und ich würde einen Teufel tun und ihm dieselbe Leere und Unsicherheit aufbürden. Er verdiente mehr als das. Er verdiente eine Familie.
    Auch mein Arm blutete immer noch in Strömen und nach wenigen Augenblicken begann der Raum sich um mich zu drehen. Henrys Augen waren noch immer geöffnet, der Blick auf die blaue Decke gerichtet, und er lächelte. „Hätte nie gedacht, dass ich mal einen Sohn haben würde.“ Seine Stimme war zittrig, als fiele ihm das Sprechen schwer. „Hätte nie gedacht, dass ich dich haben würde.“
    Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte ich gegen den Schwindel an, während ich mit jeder Sekunde schwächer wurde. „Und du wirst mich noch verdammt viel länger haben.“ Vor meinen Augen verschwamm alles, als ich versuchte, mich umzusehen. Wo blieben denn alle? Warum spürten sie nicht genau wie ich, wie das Leben aus Henry herausströmte?
    Weil es nicht sein Leben war, das ich fortgleiten fühlte. Es war mein eigenes.
    „Kate? Henry?“
    Wie Balsam strich die Stimme meiner Mutter über mich hinweg und erschöpft schluchzte ich auf. „Mom?“
    Sie kniete sich neben mich und verströmte Wärme und den Duft von Äpfeln und Freesien. „Lass dich fallen, Liebes“, murmelte sie. „Ich bin ja da.“
    Doch ich konnte mich nicht von Henry lösen, kalt, wie er jetzt dort lag, die Augen weit geöffnet, ohne ein Blinzeln, die Brust ohne die winzigste Regung. Götter mussten nicht atmen, aber Henry hatte es immer getan. Immer hatte sein Herz geschlagen, doch jetzt konnte ich nicht einmal einen schwachen Puls fühlen.
    Er war tot.
    Ich bekam nicht mit, wie die anderen erschienen. Im einen Moment hielt mich meine Mutter an die Brust gedrückt, die Hand um meinen blutenden Arm geklammert, während ich schrie und weinte und in meiner eigenen Welt verschwand. Im nächsten war Walter über uns gebeugt, während Theo neben Henrys Körper kniete und in rasender Geschwindigkeit die Lippen bewegte.
    „Schaff sie hier raus“, befahl Walter, und wie aus weiter Ferne drang seine donnernde Stimme in die dunkle Ecke meines Unterbewusstseins, in der ich mich zusammenkauerte. Sanfte Hände hoben mich hoch, und ich glaubte, James zu hören, wie er tröstende Worte murmelte, die ich nicht verstehen konnte, doch ich schlug kreischend um sich. Ich konnte Henry nicht allein lassen. Wenn ich ginge, würde ich ihn nie wiedersehen und dann wäre er wirklich fort.
    Doch das durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht sein.
    Ein weiteres Paar Hände war jetzt bei uns, doch ich hatte mich so tief in mich selbst zurückgezogen, dass ich genauso gut die Augen hätte schließen und von einer Klippe springen können. Hier drinnen kam nichts an mich heran. Hier drinnen war Henry überall. Hier drinnen war wieder Winter, und wir kuschelten uns in der Unterwelt unter der Daunendecke aneinander, während die Stunden verstrichen. Seine Brust unter meiner Hand war warm, sein Herz schlug gegen meine Finger, ruhig und ewig. Hier drinnen starb niemand.
    Ein Wimmern weckte meine Aufmerksamkeit und ich öffnete die Augen. Der goldene Saal war verschwunden, an seine Stelle war das rotgoldene Kinderzimmer in Calliopes Palast getreten und mir wurde das Herz schwer. Dort in der Wiege lag Milo. Meine Mutter hatte ihn doch nicht gerettet.
    Ich stellte mich neben ihn und tat, als könnte ich ihn berühren, ihn in den Schlaf wiegen. Tat, als wäre es nicht bloß eine Frage der Zeit, bis das Feuer des Titanen in meiner Blutbahn mich verschlang und Milo zur Waise würde. Meinen Vater hatte ich nie gekannt, aber die Zeit mit meiner Mutter war für mich kostbar gewesen. Auch das würde Milo nie erleben. Unsere einzige gemeinsame Zeit würden die paar Sekunden bleiben, bevor Calliope seinen Vater umgebracht hatte, und daran würde er sich niemals erinnern.
    Nein, wir hatten auch diesen Moment. Selbst wenn er nicht wusste, dass ich dort war, ich konnte bei ihm sein und das würde ich auch tun. Ich richtete mich neben der Wiege ein, betrachtete ihn, ohne auch nur zu blinzeln, sog jede Sekunde in mich auf.
    Und wartete auf das Unausweichliche.
    Kate .
    James’ Stimme glitt herbei und drang in das, was von meinem Herzen noch übrig war. Ich blinzelte. Wie lange war ich schon hier? Minuten? Stunden? Tage? Nein, Calliope mochte ein Monster sein, aber so lange hätte sie Milo nicht allein gelassen. Tief und fest schlief er in seiner

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