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Der Preis der Ewigkeit

Der Preis der Ewigkeit

Titel: Der Preis der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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flehte meine Mutter und streckte die Hand nach mir aus, doch ich riss meinen Arm weg. Überrascht teilten sich ihre Lippen, und mich durchfuhr ein Stich der Schuld, schmerzvoller als alles, was Kronos mir je hätte antun können. Doch ich blieb standhaft.
    „Wir müssen los.“ Ich legte James die Hand in die Armbeuge und trat einen Schritt zurück, während ich den Kloß in meinem Hals ignorierte. Ich würde nicht weinen. Nicht wegen Walter – und erst recht nicht vor seinen Augen.
    Zum ersten Mal seit Beginn unserer Freundschaft hielt James den Mund. Stattdessen nickte er Walter und meiner Mutter zu. Meinen Eltern, wurde mir klar. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Eltern.
    Ich hätte vor Begeisterung ausflippen sollen oder wenigstens hätte es mich in einer der schlimmsten Zeiten meines Daseins für einen Moment lang glücklich machen sollen. Stattdessen wurde mir übel.
    „Auf Wiedersehen, Liebes“, flüsterte meine Mutter. Bevor ich den Mund öffnen konnte, um den Abschiedsgruß zu erwidern, erstrahlte plötzlich gleißend goldenes Licht aus allen Richtungen und farbige Punkte erschienen in meinem Sichtfeld.
    Der Sonnenuntergangs-Fußboden verschwand. James und ich standen auf einem grasbewachsenen Hügel und ich blinzelte. Sheep Meadow im Central Park, dieselbe Stelle, an der ich mich jede Nacht während meiner Zeit auf Eden Manor mit meiner Mutter getroffen hatte. Überall um uns herum waren Menschen, doch niemand blickte auch nur auf, als wir aus dem Nichts erschienen. Konnten sie uns sehen? Oder hatte James irgendetwas gemacht, damit sie glaubten, wir wären die ganze Zeit schon da gewesen?
    „Warum sind wir in New York?“, fragte ich. „Ist Rhea jetzt hier?“
    „Rhea? Was soll die denn hier?“, entgegnete James und führte mich den Hügel hinunter. „Die ist wie gehabt in Afrika.“
    „Warum sind wir dann nicht in Afrika?“, bohrte ich nach und James grinste selbstgefällig. Offensichtlich machte es ihm Spaß, dass ich keine Ahnung hatte.
    „Wir sind hier, weil der Olymp gerade hier war.“
    Ich zögerte. „Ich dachte, der Olymp wäre in Griechenland.“
    „Der Berg Olymp schon, aber der Olymp, der Sitz des Rats, ist an keinen festen Ort gebunden. Oder, na ja, schon irgendwie“, verbesserte er sich und wies auf den Sonnenuntergang, der den Himmel über New York rot färbte. „Er ist auf ewig zwischen Tag und Abenddämmerung gefangen.“
    Ah ja. Daher also die spezielle Farbgebung. „Warum können wir dann nicht einfach da … erscheinen?“
    „Weil mir das Reisen fehlt, und das ist zufälligerweise das, was ich am besten kann.“ James fasste mich am Ellbogen, ich spürte die Wärme seiner Hand selbst durch den Stoff meines Pullis. „Wir machen es auf die traditionelle Weise und nehmen den ersten Flug nach Simbabwe. So haben wir noch ein bisschen Zeit, uns einen Plan auszudenken, und außerdem hab ich mir gedacht, dir tut’s bestimmt gut, mal wieder rauszukommen. Davon abgesehen können nur die ursprünglichen Sechs verschwinden und an einem anderen Ort wieder auftauchen. Na ja, und du wahrscheinlich jetzt auch, wenn du’s erst gelernt hast“, fügte er hinzu. „Ich wette, Walter könnte es dir beibringen, wenn wir wieder zurück sind.“
    Bei der Erwähnung von Walter wurde mir erneut übel. „Warum soll ich das auch können?“
    James hob eine Augenbraue. „Beschwerst du dich etwa?“
    „Natürlich nicht.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. „Aber es kann nicht daran liegen, dass meine … meine Eltern …“ Ich brachte das Wort kaum über die Lippen. „… beide zu den Sechs gehören. Dann könnten Nicholas und Dylan das doch auch. Also, warum?“
    „Weil du sonst ziemliche Schwierigkeiten hättest, durch die Unterwelt zu reisen, meinst du nicht?“ Er ließ mich los und legte mir stattdessen den Arm um die Schultern. „Tut mir leid, Kate. Walter hätte es dir schon vor Ewigkeiten sagen sollen.“
    Plötzlich hatte ich einen bitteren Geschmack im Mund. Von einem „Tut mir leid“ konnte ich mir auch nichts kaufen. „Vergiss es. Ich brauche ihn nicht.“
    „Zugegeben, er ist ein ziemlicher Schürzenjäger“, fügte James hilfreich hinzu. „Definitiv kein gutes Vorbild für das Baby. Zum Glück hat Milo noch Henry, zu dem er aufsehen kann.“
    Gemeinsam gingen wir auf den Weg zu und einen Moment lang schwieg ich. Was sollte ich auch sagen? James wusste genauso wenig, ob Henry je wieder aufwachen würde. Wir wussten nicht einmal, ob er noch am Leben wäre, wenn

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