Der Preis der Ewigkeit
wir zurückkämen. „Dein Optimismus trotzt weiterhin jeder Realität“, murmelte ich.
„Bei deiner Mutter hatte ich recht“, erinnerte er mich, doch ich schüttelte den Kopf.
„Nein, hattest du nicht. Sie ist tot. Jedenfalls ihre sterbliche Gestalt. Und du konntest nicht wissen, dass ich die Prüfungen bestehen würde. Du hattest keinen Schimmer, ob ich meine Mutter je wiedersehen würde.“
Mit einer Handbewegung wischte er meine Einwände fort. „Wie auch immer, das hier ist kein Optimismus. Es ist Fakt. Henry wird es schaffen.“
Er wollte, dass ich nachhakte, der Mistkerl. Aber so wenig ich ihm auch die Befriedigung gönnte, dass er mich am Haken hatte, ich konnte nicht anders. „Also gut, ich geb mich geschlagen. Warum bist du dir da so sicher?“
Grinsend beugte James sich zu mir herunter, bis seine Lippen meine Ohrmuschel streiften. „Weil …“, flüsterte er, „… Rhea ihn heilen kann.“
5. KAPITEL
UNTER DER OBERFLÄCHE
„Hast du es gewusst?“
Ich stand neben Milos Wiege, versunken in den Anblick seiner schlafenden Gestalt, Henry gegenüber. Er sah anders aus – irgendwie abwesend, so als sei er an einem anderen Ort. Kaum schaute er mich an, starrte nur, ohne zu blinzeln, auf das Baby hinab.
„Habe ich was gewusst?“, fragte er nach einem langen Augenblick. Hörte er mir überhaupt zu?
„Wusstest du, dass Rhea dich heilen kann?“, bohrte ich nach und gab mir große Mühe, nicht auszurasten. Natürlich war das alles nicht Henrys Schuld, aber trotzdem. Hatte er es die ganze Zeit gewusst? Und Walter? Und meine Mutter?
„Ich … habe es vermutet“, gab Henry zu und seine Augen wurden wieder glasig. Wo auch immer er war, ich konnte nur für ihn hoffen, dass es wichtiger war als sein eigenes Leben. „Ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen.“
„Blödsinn“, antwortete ich. „Du wolltest mir überhaupt keine Hoffnung machen.“
Mehrere Sekunden vergingen und schließlich begegnete er meinem Blick. „Wirst du es versuchen?“
„Was versuchen? Du bist ihr Sohn, oder etwa nicht?“
Henry verzog das Gesicht. „Auf gewisse Weise.“
„Warum sollte sie sich also weigern?“
„Es gefällt ihr nicht, sich mit unseren Angelegenheiten zu belasten“, meinte er.
„Ich bin mir sicher, es wird ihr nichts ausmachen, sich einen kleinen Moment von dem zu lösen, was sie gerade treibt, um dich zu heilen“, widersprach ich. Warum stellte er sich so quer?
Kate?
Beim Klang von James’ Stimme erstarrte ich, doch Henry runzelte nicht einmal die Stirn.
Kate, komm zurück , bat James fast unhörbar. Es ist wichtig .
Es war immer wichtig. Innerlich seufzte ich, dann beugte ich mich über die Wiege, um Henry einen Kuss auf die Wange zu drücken. „Ich muss gehen. Ich bin bald zurück.“
„Natürlich“, murmelte er abgelenkt, den starren Blick wieder in die Wiege gerichtet. Doch es war nicht Milos Gesicht, das er ansah; es war, als blickte er durch ihn hindurch. Was war hier los?
Das Kinderzimmer verblasste und an seine Stelle trat das Innere eines Flugzeugs. Trotz der großzügigen Sitze in der ersten Klasse schmerzte es, wie ich mit dem Arm ans Fenster gelehnt dasaß, und ich zuckte zusammen. Andere Tickets hatten wir nicht mehr bekommen, und James hatte felsenfest behauptet, Henry würde es ihm zurückzahlen. Während meines ersten Sommers allein hatte ich nur ungern Henrys Geld ausgegeben und James gezwungen, in der Economy-Klasse zu fliegen. Diesmal hatte ich nicht diskutiert. Ich hatte meine Lektion gelernt, was zwanzig Stunden eingezwängtes Sitzen zwischen einem schreienden Baby und einem schnarchenden Mitreisenden anging, der meine Schulter als Kopfkissen missbrauchte.
„Da bist du ja“, sagte James. „Hunger?“ Er saß neben mir und vor ihm standen zwei Porzellanteller mit je einem Cheeseburger und Fritten. Edel. Den einen hatte James nicht angerührt, der war offenbar für mich gedacht, aber auf dem anderen hatte er die Pommes zu einer gewagten Konstruktion aufgetürmt.
„Kommt drauf an“, entgegnete ich und streckte die Beine aus. „Hast du mich von Henry weggeholt, nur um dir meine Pommes zu erbetteln?“
„Natürlich nicht“, behauptete James fröhlich und zog eine Flasche Ketchup aus seinem Rucksack. „Wenn ich sie haben wollte, würde ich sie stehlen. Ketchup?“
„Du hast ernsthaft eine ganze Flasche Ketchup mit an Bord gebracht? Wie hast du das Zeug durch die Sicherheitskontrollen gekriegt?“
Er grinste. „Das bleibt mein
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