Der Preis der Ewigkeit
langen Moment kam nichts heraus. Es spielte keine Rolle, dass ich sie nicht gekannt hatte; James’ Schmerz drang so spürbar in mein Herz, als wäre er körperlich. „Tut mir leid“, brachte ich schließlich hervor. „Ich kann mir nicht vorstellen, was du gerade durchmachen musst.“
„Sie war eine meiner besten Freundinnen“, sagte er leise. „Es ist was anderes, wenn man unsterblich ist – man nimmt alles als selbstverständlich hin. Ich meine, der andere wird auch noch in ein, zwei Jahrhunderten da sein, oder? Warum soll man den Leuten dann sagen, was man empfindet? Es wird immer eine andere Gelegenheit dazu geben.“
Sachte drückte ich seine Hand. „Ich bin mir sicher, sie hat es gewusst, selbst wenn du deine Gelegenheit nicht mehr bekommen hast.“
„Walter hätte sie überhaupt nicht hinschicken sollen.“ Mühsam holte James Luft und endlich blickte er auf zu mir. Ich tat so, als würde ich nicht bemerken, dass seine Augen rot waren. „Ich will sehen, wo sie gestorben ist. Aber ich muss auch eine Vorstellung davon kriegen, was da vor sich geht, damit der Rat eine Strategie entwickeln kann. Wenn wir Milo retten wollen, müssen wir wissen, wo er ist.“
„Das würdest du wirklich tun?“, fragte ich leise.
Er warf mir einen merkwürdigen Blick zu und lächelte. „Natürlich. Er ist dein Sohn.“
Das war alles, was ich hören musste. Mit festem Griff um seine Hand schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Berührung, während ich in meine Vision glitt. Doch er bremste mich, als würden wir durch Treibsand waten. Es war unmöglich. „Ich kann’s nicht.“
Du hast es fast geschafft. Mach weiter .
Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte mich weiter vor. Ganz knapp außer Reichweite lockte Milos Wärme und ich durfte meinen Sohn nicht enttäuschen.
Endlich, als würden wir aus einem endlosen Ozean aus Schlamm nach oben steigen, tauchten James und ich gemeinsam auf. Ich selbst stand mit beiden Füßen sicher auf dem Boden des Kinderzimmers, doch James stolperte und brauchte einen Moment, bis er sich aufrichten konnte.
„Whoa. Die Nachwirkungen hatte ich vergessen.“ Schnell blickte er sich in dem rotgoldenen Raum um. In einer Ecke stand Henry und gab Milo die Flasche und James’ Augen weiteten sich. „Tu so, als wäre ich nicht hier.“
„Warum …“, setzte ich an, doch dann wandte sich Henry zu mir um, ein leeres Lächeln auf dem Gesicht. Eisige Furcht erfasste mich. War er am Vergehen? War das der Grund, dass er kaum noch hier zu sein schien?
„Willkommen zurück, Kate“, begrüßte mich Henry. Auf seltsame Weise schien seine leise Stimme im Zimmer widerzuhallen, als hätte er in einem tiefen Canyon gesprochen. „Milo ist schon unruhig geworden.“
„Äh, ja“, erwiderte ich und warf einen schnellen Blick zu James. „Tut mir leid, dass ich vorhin so abrupt verschwunden bin. Ich musste was klären.“
Henry nickte und hielt den Blick auf einen Fleck am Boden vor mir gerichtet. Er schien kaum wahrzunehmen, dass er Milo im Arm hielt. „Nichts Schlimmes, hoffe ich.“
Ich schüttelte den Kopf. „Bloß das Mittagessen.“
Langsam ging James auf Henry zu, Schritt für Schritt, bis er keine zwanzig Zentimeter vor ihm stand. Henry blinzelte nicht einmal. Wie konnte es sein, dass er mich sah und von James’ Anwesenheit nicht einmal etwas ahnte?
Ohne ein Wort glitt James aus dem Kinderzimmer. Erwartete er, dass ich hinterherkam? Oder prägte er sich den Flur ein, an dem Milos Zimmer lag? Hoffentlich warf er auch einen Blick aus dem Fenster, damit er wusste, auf welchem Stockwerk wir uns befanden. Oder durch dieses Loch im Fußboden, falls Calliope das noch nicht repariert hatte.
Für die nächsten paar Minuten sagten weder Henry noch ich ein Wort. Stattdessen trat ich an seine Seite und sah zu, wie Milo an der Flasche saugte, während ihm zufrieden die Augen zufielen. Viel länger würde er nicht mehr warten müssen. Wir waren schon fast in Johannesburg und von da aus hatten wir nur noch einen wesentlich kürzeren Flug nach Simbabwe vor uns. Sobald Henry geheilt und Rhea auf unserer Seite war, würden wir diesem Krieg ein Ende setzen.
Eine Bewegung an der Tür weckte meine Aufmerksamkeit. Ich sah auf und rechnete damit, James wieder hereinschlüpfen zu sehen. Stattdessen trat ein Mädchen mit einem Stapel Bettwäsche auf dem Arm ein, der ihr Gesicht verbarg. Doch diese blonden Locken hätte ich überall erkannt.
Ava.
Sie setzte den Stapel auf einer neu
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