Der Preis der Ewigkeit
verlassen. Meine eigene Mutter hätte mich bereitwillig im Stich gelassen, wenn ich nicht bestanden hätte.
Und was dann? Ich hätte den Rest meines sterblichen Lebens in dem Glauben verbracht, ich wäre vollkommen allein. Und ich wäre es auch gewesen, denn von meiner Mutter zu träumen – wenn der Rat es mir erlaubte –, wäre nicht dasselbe gewesen, wie sie bei mir zu haben. Sie wusste, was ich durchgestanden hatte, während ich sie umsorgt und dabei zugesehen hatte, wie sie über all die Jahre dahingewelkt war. Sie wusste, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan hätte, um ihr mehr Zeit zu verschaffen, damit sie an meiner Seite blieb. Und trotzdem hätte sie mich einfach so im Stich gelassen.
Mit zittrigen Knien stand ich auf. „Ich muss gehen.“
„Wohin?“, fragte meine Mutter und erhob sich ebenfalls, doch ich wich vor ihr zurück. Verwirrung und Schmerz flackerten in ihren Augen auf, aber ich brachte es nicht über mich, meine Mutter zu umarmen, um sie zu trösten. Sie war mein Fels in der Brandung. Meine Konstante. Sie hatte geschworen, sie hätte mich zur Welt gebracht, weil sie mich wollte, und ich glaubte ihr. Ich war kein Ersatz für Persephone – aber nur, weil ich diese Prüfungen bestanden hatte. Hätte ich das nicht, wäre ich nichts als eine weitere Enttäuschung gewesen und sie hätte mich genauso verlassen wie Persephone. Wie Persephone sie verlassen hatte.
Ich brauchte die Liebe und Unterstützung meiner Mutter mehr denn je, doch zum ersten Mal in meinem Leben zweifelte ich an ihr. Und das brachte mich um.
„Ich hole Milo zurück“, schwor ich. „Irgendjemand hier hat es verdient, Eltern zu haben, die ihn mehr als alles andere auf der Welt lieben, einschließlich ihrer Unsterblichkeit.“
Tränen brannten mir in den Augen, als ich zur Tür marschierte. Stumm betete ich, meine Mutter würde mich aufhalten; dass sie mich umarmen und beteuern würde, sie hätte sich dem Rat widersetzt, wenn er ihr nicht erlaubt hätte, mich weiterhin zu sehen. Dass sie für mich da gewesen wäre, was auch immer geschehen wäre.
„Kate.“
Mir schlug das Herz bis zum Hals.
„Es tut mir leid. Ich hab dich lieb.“
Hektisch blinzelte ich. Nicht lieb genug, dass sie für den Rest meines ärmlichen Menschenlebens bei mir geblieben wäre. Nicht wenn das geheißen hätte, sich dem Rat zu widersetzen. „Hab dich auch lieb“, murmelte ich und ohne ein weiteres Wort ging ich aus dem Raum und schloss die Tür hinter mir.
Ein leises Summen lag in der Luft, als ich in dem rotgoldenen Kinderzimmer erschien. Wieder und wieder war ich in Gedanken durchgegangen, was ich Kronos sagen wollte – mein letzter Versuch, den drohenden Krieg aufzuhalten. Rhea mochte uns ihre Hilfe verweigert haben, doch das bedeutete nicht, dass die Schlacht unausweichlich war. Dies war wenigstens eine Sache, die ich tun konnte, um zu helfen. Doch als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stieß ich einen erstickten Schrei aus, all meine sorgsam formulierten Argumente in Sekundenbruchteilen vergessend. Mitten im Kinderzimmer stapfte Calliope auf und ab, Milo an ihre Brust gedrückt.
Ich stieß einen verbitterten Laut aus und stürzte mich auf sie, doch wie immer fiel ich geradewegs durch sie hindurch und landete keine Armeslänge vor Kronos. Zum ersten Mal seit meiner Befreiung zeigte er sein eigenes Gesicht und nicht das von Henry. Also hatte er doch mitbekommen, was ich zu James gesagt hatte, und wusste, dass ich erkannt hatte, dass er nicht Henry war. Er schwieg, zuckte nur leicht mit den Mundwinkeln. Wenigstens fand jemand meinen Zorn amüsant.
„Natürlich wird Mutter ihn heilen“, meinte Calliope gerade, Sorgenfalten auf der Stirn. „Ich weiß, dass sie gegen das Kämpfen ihre Vorbehalte hat, aber sie würde nicht zulassen, dass einer von uns einfach stirbt, nicht wahr?“
Auf der Suche nach Bestätigung blickte sie zu Kronos, doch der sagte nichts. Gut. Das bedeutete, er wusste es nicht.
„Vater, ich brauche Henry. Kannst du es nicht rückgängig machen?“
„Vielleicht hättest du darüber nachdenken sollen, bevor du versucht hast, ihn umzubringen“, schlug Kronos in neutralem Ton vor, und Calliope drückte Milo fester an sich, während ihr Stirnrunzeln sich vertiefte.
„Ich hab auf seine Schulter gezielt, nicht auf sein Herz. Und es war auch nicht geplant, dass er verschwindet . Du hast geschworen, du würdest ihn heilen.“
Es war gar nicht ihr Plan gewesen, ihn umzubringen? Warum? Damit
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