Der Preis der Ewigkeit
so weitermachen wie bisher, ohne sie zu sabotieren oder sie zu attackieren. Lass sie glauben, dass deine Absichten ehrlich sind.“
„Aber ihr habt noch nicht mal drüber nachgedacht!“, rief Ava aus, doch Walter hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Dazu besteht auch kein Bedarf. Zwei aus unseren Reihen sind jetzt auf Gedeih und Verderb Calliope und Kronos ausgeliefert. Wir können es uns nicht leisten, in irgendeiner Weise das Gleichgewicht zu stören, bevor wir bereit zur Schlacht sind. Wir werden uns auf Kronos’ Ultimatum einrichten, auch wenn wir bereits damit gerechnet hatten. Jegliche Informationen, die du uns sonst noch liefern kannst, werden hilfreich sein, aber bring dafür nicht das Leben der Gefangenen in Gefahr.“
Ava bekam feuchte Augen. „Und ich zähle nicht als Gefangene?“, wisperte sie fast unhörbar. „Weil ich nicht auf dieselbe Weise kämpfe wie ihr, bin ich es nicht wert, gerettet zu werden?“
Für den Bruchteil einer Sekunde wurde Walters Miene sanfter. „Liebes, natürlich bist du das.“
„Ich hab alles getan, was du von mir verlangt hast“, bohrte Ava weiter. „Ich hab mein Leben riskiert, meine Integrität, meine Freunde …“ An dieser Stelle richtete sie den Blick auf mich, doch ich wandte die Augen ab. „… Und all das nur für leere Versprechungen. Du bist genauso schlimm wie sie, Daddy. Aber sie gibt wenigstens nicht vor, etwas zu sein, das sie nicht ist.“
Lastendes Schweigen erfüllte den Saal. Ich hob gerade rechtzeitig den Blick, um Walter erbleichen zu sehen. Er holte tief Luft, stritt aber nichts ab. Sagte sie die Wahrheit? Hatte er wirklich von ihr verlangt, all diese Dinge zu tun?
Meine Gedanken überschlugen sich und plötzlich fand ich das fehlende Puzzlestück. Ich erkannte die wahren Hintergründe dessen, was hier geschah, und schluckte schwer. Also war es nicht allein Avas Schuld.
Wenigstens durchschaute ich jetzt, wie weit das Ganze reichte. Henry hatte recht gehabt. Die ganze Zeit über war Walter genauso tief in die Geschichte verstrickt gewesen wie Ava. Er hatte von meiner Schwangerschaft gewusst, war im Bilde darüber gewesen, wo ich war und was vor sich ging. Er hatte es gewusst und keinen Finger gerührt, um etwas dagegen zu unternehmen.
Und die Dinge, zu denen er Ava gezwungen hatte … Im vollen Bewusstsein, wie es alles beeinflussen würde, wie es auf den Rat wirken würde, wie es auf mich wirken würde … Wie hatte er seiner eigenen Tochter so etwas antun können?
Walter war genauso schlimm wie sein Vater. Der einzige Unterschied zwischen ihnen bestand darin, dass er seine Feinde nicht umbringen konnte. Wäre er dazu in der Lage, gäbe es einen Weg, Kronos vollständig zu vernichten – ich war mir sicher, Walter hätte es getan.
„Ich gehe nur zu Calliope zurück, wenn du ebenfalls eine Bedingung erfüllst“, erklärte Ava jetzt. „Ich will mit Kate reden. Allein.“
Wieder ging ein Raunen durch den Rat, während ich die Augenbrauen hob. „Wie bitte? Und was, wenn ich nicht mit dir reden will?“
Walter tat, als hätte ich nichts gesagt. „Du weißt, dass das nicht möglich ist. Ohne Calliope und Henry ist es schon kräftezehrend genug für uns, diese Art der Kommunikation mit dir aufrechtzuerhalten.“
„Dann kommt sie eben zu mir“, beharrte Ava.
„Nein. Keine Chance.“ Schneidend erhob sich die Stimme meiner Mutter über das Gemurmel und die anderen verstummten. „Ich lasse nicht zu, dass sie sich noch einmal so in Gefahr bringt. Es ist schon ein Wunder, dass sie es beim letzten Mal heil da rausgeschafft hat.“
Weniger ein Wunder als die Eifersucht eines Titanen, aber davon würde ich ihr später erzählen. So oder so, sie hatte recht – wenn ich dorthin zurückging, würde Calliope einen Weg finden, mich umzubringen.
„Ich weiß, wie ihre Visionen funktionieren“, ließ Ava nicht locker. „Sie kann mich sehen und alles hören, was ich sage. Sie muss mir nicht antworten. Ich will bloß, dass sie mir zuhört. Und ich werde euren Bedingungen erst zustimmen, wenn Kate auch meinen zustimmt.“
Zorn stieg in mir empor, und als ich aufsah, um ihren Blick zu erwidern, lief mir ein Schauer über den Rücken. Was auch immer sie mir sagen wollte, sie konnte es nicht vor den anderen erzählen. Was wiederum hieß, dass sie ihnen nicht traute – oder zumindest ihrem Vater nicht.
War es etwas über Henry? Über Milo? Hatte sie einen Weg gefunden, ihn irgendwie zu mir zu schmuggeln?
Ein Hoffnungsschimmer
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