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Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit

Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit

Titel: Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wirsching
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Beginn des 21. Jahrhunderts ist ganz Europa mehr denn je zu einer Zone der Bewegung geworden, die sich nun auch zunehmend mit der Herausforderung neuer kultureller Diversität konfrontiert sieht.
    Unter der kombinierten Wirkung von außereuropäischer Zuwanderung und gesteigerter binneneuropäischer Mobilität stieg zwischen 1990 und 2008 in den meisten europäischen Ländern der Anteil der ausländischen Bevölkerung. Hinzu kam der Anteil jener, welche die Staatsangehörigkeit des Gastlandes erwarben. Aufgrund der zunehmend liberalisierten Einbürgerungspraxis stieg der Anteil dieser Personen mit Migrationshintergrund im Verlauf der 1990er und 2000er Jahre ebenfalls deutlich an. So naturalisierte die Bundesrepublik im Jahre 1991 nur 27.295 Ausländer, im Jahre 2000, nach der Reform des Staatsbürgerrechts, waren es dagegen 186.688. Während diese Zahl gegen Ende des Jahrzehnts auf durchschnittlich rund 120.000 Einbürgerungen jährlich zurückging, naturalisiertenFrankreich und Großbritannien seit 2004 mehr als 150.000 Ausländer pro Jahr.[ 122 ] Mit steigender Tendenz wurden zwischen 1990 und 2007 allein in den drei europäischen Hauptzielländern fast 5,5 Millionen Ausländer eingebürgert.
    Einbürgerungen in drei Hauptzielländern 1990–2007
Frankreich
2.069.752
Deutschland[ a ]
1.824.600
Großbritannien
1.529 161
Gesamt
5.423 513
    [ a ] ohne Anspruchseinbürgerung von Spätaussiedlern
Quelle: Currle, Migration in Europa, S. 122, 60, 158; Eurostat
    2008 lebten in den EU-27-Ländern insgesamt mehr als 30 Millionen Ausländer, was einer Quote von 6,2 Prozent entsprach. Von ihnen besaßen rund elf Millionen eine jeweils andere EU-Staatsbürgerschaft, während mehr als 19 Millionen von außerhalb der Europäischen Union kamen. Den relativ höchsten Ausländeranteil hatte hinter Luxemburg und Liechtenstein die Schweiz, wo der Ausländeranteil zwischen 1990 und 2008 von 16,7 auf 21,1 Prozent anstieg. Absolut gesehen verteilte sich das Gros der Zuwanderer jedoch auf fünf Hauptzielländer: 23,6 Millionen, das heißt mehr als drei Viertel aller ausländischen Bürger lebten 2008 in Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien. Weitere wichtige Zielländer waren Belgien, die Niederlande, Schweden, Österreich und Portugal mit einer ausländischen Wohnbevölkerung von jeweils zwischen 446.000 (Portugal) und 971.000 (Belgien).
    Ausländische Wohnbevölkerung in fünf europäischen Hauptzielländern 1990–2008
1990
2000
2008
In 1000
v.H.
In 1000
v.H.
In 1000
v.H.
Deutschland a
5338
8,4
7297
8,9
7255
8,8
Spanien
279
0,7
896
2,2
5262
11,6
Großbritannien
1904
3,3
2342
4,8
4021
6,6
Frankreich
3607
6,3
3263
5,6
3674
5,8
Italien
469
0,8
1388
2,4
3433
5,8
    [ a ]1990: Alte Bundesrepublik
Quelle: Kaelble, Sozialgeschichte, S. 246f.; Eurostat, Statistics in focus 94/2009, S. 3
    Mehrere Entwicklungen lassen sich an diesen Zahlen ablesen. Neben der unübersehbaren quantitativen Steigerung seit dem Ende des Kommunismus signalisieren sie einen Wandel in der europäischen Wanderungsdynamik. Bis zum Ende der 1980er Jahre dominierten die postkoloniale Zuwanderung und die türkische Arbeitsmigration in den drei großen europäischen Zielländern Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Türken in Deutschland, Nordafrikaner in Frankreich, Inder, Pakistani und Angehörige der karibischen Commonwealth-Staaten in Großbritannien bilden bis heute die wichtigsten ethnischen Minderheiten in diesen Ländern.
    Als neuer, aus der Geschichte aber bekannter Faktor verstärkte sich nun wieder die Ost-West-Wanderung. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte diese Form der Arbeitsmigration zu den typischen Merkmalen des europäischen Wanderungsgeschehens gehört; der Eiserne Vorhang unterbrach sie für ein halbes Jahrhundert, bevor sie seit 1990 mit neuer Dynamik wieder einsetzte. Hierzu gehörte auch die saisonale Wanderung, die in bezug auf die Polen, die nach Deutschland kamen, zu einem Dauerzustand wurde. Tatsächlich bildete sich in Teilen Polens als Folge der spezifischen Verfaßtheit des deutschen Arbeitsmarktes geradezu eine «Pendler-Gesellschaft» heraus. Dementsprechend stieg die Zahl der Polen, die in der Bundesrepublik residierte, zwischen 2000 und 2008 von 291.673 auf 413.044.[ 123 ] Aber auch in anderen Ländern kamen seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich mehr osteuropäische Arbeitsmigranten an. Besonders früh öffnete Großbritannien seine Grenzen für Arbeitssuchende aus Osteuropa. Freilich

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