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Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit

Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit

Titel: Der Preis der Freiheit: Geschichte Europas in unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wirsching
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Verhältnissen» empor gearbeitet hatte. Ideologisch war diese Form des Populismus kaum auf die äußere Rechte fixiert; in ihm fanden sich eher populistisch und personalistisch zugespitzte, libertär-autoritäre Züge. Allerdings spielten politisch-ideologische Inhalte insgesamt eine eher nachgeordnete Rolle. Vielmehr dominierte ein primär instrumentelles Politikverständnis, das vor allem die paradigmatische Rolle der eigenen Person in den Mittelpunkt stellte und die Wähler in der Mitte der Gesellschaft suchte.
    Der «Prototyp» eines solchen Unternehmer-Populisten war der italienische Multimilliardär Silvio Berlusconi. Sein Aufstieg vom Chefsessel eines undurchsichtigen Medienimperiums zum italienischen Ministerpräsidenten gebar in dem Maße eine neue Problematik, in dem er aus einer allzu engen Verschränkung von Plutokratie, persönlicher Medienmacht und politischem Status resultierte. Berlusconi profitierte Anfang der 1990er Jahre vom Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems, um gleichsam aus dem Nichts mit der Forza Italia – dem Schlachtruf des italienischen Fußballs – eine neue politische Sammlungsbewegung zu gründen. Die Kerninhalte der neuen Partei beschränkten sich auf anti-kommunistische, anti-etatistische und neoliberale Versatzstücke. Vor allem aber war sie, ohne besonderen Aufwand an innerparteilicher Demokratie zu betreiben, völlig auf Berlusconi persönlich zugeschnitten und arbeitete mit den subtilsten Methoden moderner Werbetechnik. Mit dieser Strategie konnte sich Berlusconi die politische Nachfolge der unter dem Korruptionsskandal kollabierten Democrazia Cristiana sichern.[ 227 ] Mit der Lega Nord und der früheren neofaschistischen, nunmehr rechts-autoritären Alleanza Nazionale und ihrem Führer Gianfranco Fini standen Koalitionspartner bereit.[ 228 ] Bei den italienischen Parlamentswahlen von 1994 eroberte die Forza Italia aus dem Stand 21 Prozent der Wählerstimmen, womit sie zur stärksten Partei avancierte. Berlusconi wurde, als der mutmaßlich reichste Mann Italiens (!), zum Ministerpräsidenten gewählt.
    Zwischendurch vom Wähler zweimal in die Opposition verbannt, eroberte Berlusconi 2001 und 2008 erneut mit seiner Mitte-Rechts-Koalition die parlamentarische Mehrheit und das Amt des Ministerpräsidenten. Im Wahlkampf baute er erfolgreich auf medien- und publikumswirksameGesten und konzentrierte sich auf die Konstruktion von Feinbildern wie «die» Linke oder «die» Justiz. Er gab populistische Versprechen und trat in den Medien als erfolgreicher Unternehmer auf. Tatsächlich paarte sich Berlusconis plutokratische Medienmacht stets mit kaum kaschierter Egozentrik. Der Dominanz des Performativ-Inszenatorischen entsprachen politische Unbestimmtheit, private Skandale und der stete Verdacht, er sei vor allem deswegen in die Politik gegangen, um sich aktiv gegen Strafverfolgung zu schützen.[ 229 ] Entsprechend negativ wurde 2008 sein erneuter klarer Wahlsieg von in- und ausländischen Kommentatoren aufgenommen. Es sei der Berlusconi, so kommentierte z.B.
Die Zeit,
«wie ihn Italien und die Welt seit Jahren kennt – populistisch, egomanisch, folkloristisch – und hart an der Grenze des ethisch, politisch und juristisch Zulässigen».[ 230 ]
    In Frankreich trat Ende der 1980er Jahre mit Bernard Tapie ein ähnlicher Typus des Unternehmer-Populisten in das Rampenlicht der großen Politik. Sein öffentliches Image stammte aus seiner wechselnden Tätigkeit als Finanzinvestor und Fußballmäzen, Schlagersänger und Medienstar. Phasenweise ein Günstling François Mitterrands, verkörperte Tapie für manche die Hoffnung, als eine Art linkspopulistischer Anti-Le Pen zu wirken. Allerdings verfügte er weder über die politischen Koalitionsmöglichkeiten noch über die privaten Mittel Berlusconis. Es gelang ihm daher nicht, die bald gegen ihn gerichteten Justizverfahren zu blockieren. Wie treffend festgestellt wurde, trat daher «die kriminelle Seite seiner Karriere» deutlicher hervor als bei Berlusconi.[ 231 ] Mehrere Verurteilungen und eine Gefängnisstrafe wegen Bestechung, Untreue und Steuerhinterziehung beendeten seine politische Laufbahn. Seiner Popularität und Beliebtheit bei den Medien tat dies jedoch keinen Abbruch, und Tapie gehört bis heute zu den häufigen Gästen des französischen Fernsehens.
    Zu den Unternehmer-Populisten läßt sich auch der langjährige Eigentümer der Emser Chemischen Werke, Christoph Blocher, rechnen, der zugleich von 1977 bis 2003 als

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