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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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dermaßen misstrauisch beäugte, dass es den geläuterten Vampir beinahe körperlich schmerzte.
»Wie geht es dir?«, fragte Visco dennoch bemüht locker und mit einem Nicken in Richtung ihres geschwollenen Gesichts.
»So ... so weit ganz gut. Dank Euch, anscheinend.«
»Keine Ursache.« Visco bemerkte, dass eine gewisse Sinnlichkeit hinter dem kritischen, fast furchtsamen Blick dieser dunklen Augen verborgen lag. Er versuchte, es nicht weiter zu beachten. »Immerhin gebietet es die Ritterlichkeit, einer Frau in Not zu helfen«, meinte er stattdessen gelassen. »Ist es nicht genau das, was du auch immer sagst, Lorn?«
Der Jagam warf Visco die Zunderbuchse zu.
»Dein Holz ist klamm«, sagte er barsch und griff im Aufstehen nach der Streitaxt, die neben seinem Bündel an der rauen Felswand lehnte. »Und Fleisch hast du auch keines mitgebracht.«
»Wir haben Glück«, verriet Visco Narija daraufhin in gespielt verschwörerischem Tonfall. »Wie es aussieht, wird Lorn uns sein berühmtes Eichhörnchen-Gulasch kochen.« Er nickte in Richtung der Axt. »Eichhörnchen jagt man am besten mit der Axt, weißt du? Das spart Arbeit beim Ausnehmen.«
Diesmal war es Lorn, der ohne ein weiteres Wort aus der Höhle stapfte, wo er bereits nach zwei Schritten mit der Dunkelheit und dem Nebel verschmolz.
Die junge Frau schenkte Visco ein zögerliches Grinsen.
»Ich bin Narija«, sagte sie.
»Visco DeRául.« Visco neigte huldvoll das Haupt – womit er sein selbstzufriedenes Lächeln verbarg. »Zu Euren Diensten.«
*
    Werwölfe .
Wie das Beil eines Scharfrichters hing das Wort über den Köpfen der Söldner, machte als heiseres, furchtsames Flüstern die Runde. Mit einem Mal schien sich der Nebel um sie herum zu verdichten und die Form von scharfen Klauen anzunehmen, die sich nach dem Herzen eines jeden Mannes ausstreckten.
Auch Wambarc hatte mit seinen Urängsten zu kämpfen. Von allen Geschöpfen, denen man in einer Nacht wie dieser am wenigsten begegnen wollte, standen Werwölfe wohl ganz oben auf der Liste. Und als wäre einer nicht schon schlimm genug, lauerte irgendwo in diesem Nebel ein ganzes verdammtes Rudel.
» Hauptmann? «
Tilbur klang dem Wahnsinn nahe. Der junge Söldner sah aus, als wolle er jeden Moment schreiend in den Nebel davon reiten – was nicht nur ziemlich gewissenlos gegenüber dem Rest der Truppe, sondern auch sein Todesurteil gewesen wäre.
Wambarc konnte es dem Jüngling trotzdem nicht verübeln.
Allerdings wusste er auch, dass eine Flucht sinnlos war.
Die Wölfe würden in einem kurzen Sprint jedes Pferd schlagen, genauso wie sie dank ihrer überlegenen Sinne jeden Flüchtigen im Wald rasch aufspüren würden.
Wambarc seufzte. Er war sich darüber im Klaren, dass es nun an ihm als Hauptmann lag, seinen Männern ein nach außen hin halbwegs standhaftes Beispiel zu sein. Also richtete er sich im Sattel auf und drückte seinem Tier die Schenkel in die Seiten. »Auf die Köter, Männer!«, rief er und galoppierte seiner Schar mit hoch erhobenem Schwert voran.
Die Erleichterung des Söldner-Hauptmanns war groß, als seine Meute sich fasste und ihm nach kurzem Zögern mit rasselnden Waffen, wildem Gejohle, stampfenden Hufen und laut wiehernden Pferden durch die trüben Schwaden folgte ...
*
    Der Duft von gebratenem Fleisch stieg Narija in die Nase und erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Kaum dass Lorn aus der Höhle gegangen war, hatte Visco sich des Feuers angenommen und schnell mehr Erfolg gehabt als der ungeduldige Jagam vor ihm. Keine halbe Stunde später war dieser wiederum aber auch schon zurückgekehrt – mit zwei gehäuteten Kaninchen, die kurz darauf an einem Spieß über dem kleinen Feuerchen brutzelten und die zischenden Flammen mit goldbraunen Fetttropfen versorgten.
»Ein wenig fad«, meinte Visco nach einem ersten Bissen.
»Der Wald ist eben keine Herberge«, versetzte Lorn mürrisch. »Wo es Salz gegeben hätte. Und Kartoffeln. Und frisches Brot. Und Gemüse. Und Bier. Und Wein. Und ...«
»Ja ja, ich hab den Hinweis verstanden, danke.« Visco warf Narija einen flüchtigen Blick zu. Trotz der Schwellung ihrer Wange zuckte der Widerschein des Feuers über ein hübsches Frauengesicht. »Aber wären ein paar Kartoffeln es wirklich wert gewesen, Narija ihrem Schicksal zu überlassen?«
Lorn sagte nichts dazu.
Visco zuckte unter seinem Umhang mit den Schultern.
»Lorns Kochkünste sind eher bescheiden, verzeih«, meinte er dann an Narija gewandt. »Aber man

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