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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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Sack lugte, den Corbert ihm mit verwirrter Miene ausgehändigt hatte. »Unsere Wertsachen!«, rief Flank überrascht.
Woraufhin die Menge abermals in lauten Jubel ausbrach.
Alle bis auf Narija, die mit feuchten Augen im Tor stand und der schlanken Gestalt Visco DeRáuls nachsah, als dessen Rappe neben dem Braunen des Jagam in den Wald eintauchte und verschwand.

Kapitel III: Pilze und Götter

1.

Gab es etwas Beklemmenderes, als bereits kurz nach Anbruch eines neuen Tages durch einen düsteren, nebelverhangenen Wald zu schleichen? Visco bezweifelte es. Unter seinen Stiefeln lag ein klebriger Flickenteppich aus feuchten Blättern, den er allerdings eher spürte und roch, als dass er ihn tatsächlich sah, da bereits seine Stiefelschäfte im Nebel verschwanden. Die milchigen Schwaden umfingen Viscos hagere Gestalt wie eine zerschlissene Bettdecke, deren Innereien zwischen Bäumen und Büschen hervorquollen. Auch die meisten Stämme, Äste, Wedel, Wurzeln und Sträucher verschwanden als vage Konturen im diesigen Grau, während die Geräusche des erwachenden Tages beinahe gänzlich verschluckt wurden.
Und als wäre all dies auf Dauer nicht schon nervtötend oder beklemmend genug, weckte der Nebel obendrein noch einige unangenehme Erinnerungen in Visco, der sich übertrieben vorsichtig durch die grauen Schleier schob.
Doch egal wie lebendig diese schaurigen Erinnerungen an eine ganz bestimmte Nacht in einem ganz bestimmten Dorf vor weniger als drei Wochen letztlich auch sein mochten – die ersten Stunden des Morgen grauens waren trotzdem nicht die Zeit der Wölfe, und überhaupt war Visco DeRául diesmal nicht auf Wolfsjagd.
Dennoch versuchte sein stechender Blick mit aller Macht durch die wattierten Schwaden zu dringen und den krummen Skeletten und verwaschenen Schemen im Nebel Namen und Gestalt zu geben, währenddessen Viscos Raubtiersinne nach einem verräterisch kräftig schlagenden Herzen Ausschau hielten, das auch die trübe Suppe nicht vor dem Vampir verbergen könnte.
Visco wusste, dass er den Troll besser entdecken sollte, bevor dieser einen Blick auf ihn erhaschte – ansonsten könnte die Sache hier recht ungemütlich werden.
Je länger der geläuterte Vampir bei diesem Gedanken verweilte, desto verlockender schien ihm mit einem Mal ein Wolfsheulen irgendwo im Nebel.
Das wäre wenigstens etwas gewesen, eine Abwechslung zu seinen trüben Gedanken und dem, was ihn seine Fantasie im Nebel sehen ließ.
Visco fischte sich unwirsch eine vom Nebel angefeuchtete Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich widerspenstig aus seinem Haarband gelöst hatte.
Was waren das eigentlich für Gedanken? Als wäre er irgendein Frischling, der zum ersten Mal auf Trolljagd war.
Nun, genau genommen stimmte das ja, aber ...
Visco seufzte genervt. Nicht zum ersten Mal fragte der Vampir sich dagegen, wieso Lorn und er sich darauf eingelassen hatten, einen verdammten Troll zu jagen. Warum waren sie nicht einfach weitergezogen, nachdem Durik ihnen erst einmal gesagt hatte, worum es ging?
Die Antwort war erschreckend einfach: Geld.
Aktuell drehte sich alles um den finsteren Abgrund ohne Boden, der in ihrer so genannten Reisekasse gähnte. Dieser klaffte dort wiederum aus zwei Gründen: Zum einen, weil Visco den Sold für ihren letzten Auftrag großherzig an die vom Schicksal mit Füßen getretenen Egemunder zurückgegeben hatte – zum anderen, weil sie die letzten drei Wochen im Anschluss an das nächtliche Vergnügen in Egemunde darauf hatten verwenden müssen, auf dem Schloss des Herzogs von Camvir die Genesung von Lorns Schulter abzuwarten.
Beides hatte ihr Einkommen nur marginal gefördert.
Allerdings war ihnen in beiden Fällen nichts anderes übrig geblieben. Visco hatte es ums Verrecken nicht über sich gebracht, die Dörfler, von denen so gut wie jede Familie einen Sohn oder Vater oder zumindest einen Freund verloren hatte, auch noch um ihre Eheringe und Familienerbstücke zu berauben . Danach war es ein fast ebensolches Ding der Unmöglichkeit gewesen, Tag für Tag stur einfach weiter zu reiten, solange Lorn zwei bis drei Mal pro Stunde vom Pferd steigen und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden hocken oder gegen einen Baumstamm lehnen musste, bevor er wieder halbwegs im Sattel zu sitzen und seine Schmerzen für die nächsten Minuten zu ignorieren vermochte.
Letzte Endes war es egal, ob das Loch in ihrer Reisekasse seinen Ursprung nun in Viscos Großherzigkeit gegenüber den gequälten Dörflern oder in Lorns Verletzung

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