Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
Vom Netzwerk:
der Stadtverwaltung – ein beim Volk beliebter, wenn auch für seine Strenge berüchtigter Richter; ein kluger, wortgewandter Redner vor dem Rat, zu dessen Vorsitzendem er im nächsten Frühling wohl gewählt werden würde, wenn er sich nicht mit einer tätowierten Hafenhure erwischen ließ. So waren die Leute nun mal, in Namask wie überall sonst auch.
»Morgen kommt Bischof Rudrik«, eröffnete Lemis seinem früheren Weggefährten gerade. »Wie du weißt, ein wichtiger Würdenträger unserer Heiligen Mutter Kirche.«
»Ein mächtiger Mann«, stimmte Lorn zu. Männer wie Rudrik konnten politisch noch so vielversprechende Karrieren auch ohne Huren und mit einer einzigen Handbewegung absägen.
»Sehr mächtig.« Lemis nickte unbehaglich. Seine Augen hingegen sagten: Zu mächtig. Anscheinend war der kluge Richter zu ähnlichen Schlüssen wie Lorn gekommen. Dieser Eindruck bestätigte sich, als Lemis leise hinzufügte: »Und es wäre ganz und gar nicht schön, wenn alle Spatzen morgen schon in aller Herrgottsfrüh von den Dächern pfeifen würden, dass die verdammten Vampire einen Scheiß auf den Bischof geben und es in der letzten Nacht wieder ordentlich haben krachen lassen. Und dass wir, der Stadtrat, das Gericht und die Stadtwache, nicht in der Lage sind, die Bürger jener Stadt zu schützen, die der Bischof mit seinem Besuch ehrt.«
Eine graue Augenbraue wölbte sich in Richtung von Lorns fahlnarbiger Stirn. »Woher weißt du so gut über die nächtlichen Vorhaben eurer Bürger Bescheid, Lemis?«
Der Oberste Richter von Namask wedelte vage mit einer Hand; zwei blutrote und zwei saphirblaue Edelsteine funkelten im Lampenlicht. »Lass es mich so sagen, alter Freund: Es gibt Vampire, und es gibt ... Vampire. Mit manchen kann man sich leichter arrangieren als mit anderen. « »Das ist Ketzerei«, stellte Lorn grollend fest, obwohl gerade er es eigentlich besser hätte wissen müssen. Doch manche Verhaltensregeln legte man nur schwer ab. Außerdem wollte Lorn herausfinden, wie weit er bei Lemis gehen konnte und was der manische Informationssammler noch so alles über ihn und seine Verbindungen wusste.
Lemis sah sich derweil argwöhnisch um und prüfte, ob jemand die barsch ausgesprochenen Worte des Nachtjägers gehört hatte.
Was eigentlich unnötig war. Ihre Nische schottete sie gut vom Rest des Schankraums ab. Überdies scherten sich die meisten der Anwesenden – Händler, Karawanenführer, auswärtige Kaufleute – ohnehin nicht um sie und interessierten sich nur fürs Geschäft und dafür, ihre Zechkumpanen gewinnbringend über den Tisch zu ziehen.
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Lemis nach ein paar Sekunden. Trotz seines Lächelns wirkte er wachsamer und angespannter als zuvor. »Ein Glück, dass du dem Orden nicht mehr verpflichtet bist, was?«
Lorn folgerte, dass die Vorfälle auf Justica ungeachtet aller weltlichen Aufstiege seines Freundes nach wie vor ein schmerzhaftes Thema für Lemis waren. Sogar Lorn fühlte, wie ihn sofort die Sehnsucht nach dieser Zeit packte; nach dem Zusammenhalt; den harten, aber wohltuenden Übungseinheiten auf den von der Gischt heimgesuchten Klippen; aber auch nach der Vorfreude, in absehbarer Zeit wieder nach Hause zu kommen und seine Lieben zu sehen ...
Der Jagam ertrank die aufkommenden Erinnerungen mit einem Schluck Bier. »Was genau willst du von mir, Lemis?« Der Schatten der Erinnerung lag nach wie vor über Lorns Gesicht.
»Ich brauche deine Hilfe«, antwortete Lemis leise. »Sorg dafür, dass die Vampire heute Nacht in ihrem Loch bleiben. Ich hab zwar schon eine Jägerzelle in meinen Diensten, aber das sind unfähige Jungspunde. Niquis hat sich wohl mal wieder einen seiner schlechten Scherze erlaubt und mir diese Frischlinge als Schutz für den Bischof aufs Auge gedrückt. Als ich gestern dann hörte, dass du in der Stadt bist, habe ich sie direkt auf eine andere Fährte gesetzt, damit du freies Feld hast.« Lemis rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Wie du es eben magst, mh?«
Lorns Lederrüstung knarrte leise, als er sich mit vor der Brust verschränkten Armen zurücklehnte und Lemis misstrauisch beäugte. »Du scheinst dir ja ziemlich sicher zu sein, dass ich den Auftrag annehme«, brummte der Jagam finster.
Lemis Lächeln flatterte wie ein nervöser Schmetterling.
»Wir sind Freunde , Lorn. Natürlich wusste ich, dass ich mich auch nach all den Jahren noch auf dich verlassen kann.« Das Lächeln erlosch endgültig, als der Richter unter seinen lavendelfarbenen

Weitere Kostenlose Bücher